Nathan der Weise
Seid
Ihr lange schon mit ihm nun auch herüber
Gekommen? Und er lebt doch noch?
TEMPELHERR . Was soll
3780
Ich sagen? – Nathan! – Allerdings! So ist’s!
Er selbst ist tot. Ich kam erst mit der letzten
Verstärkung unsers Ordens. – Aber, aber –
Was hat mit diesem allen Rechas Bruder
Zu schaffen?
NATHAN . Euer Vater …
TEMPELHERR . Wie? auch den
Habt Ihr gekannt? Auch den?
NATHAN . Er war mein Freund.
TEMPELHERR .
War Euer Freund? Ist’s möglich, Nathan! …
NATHAN . Nannte
Sich Wolf von Filnek; aber war kein Deutscher …
TEMPELHERR . Ihr wisst auch das?
NATHAN . War einer Deutschen nur
Vermählt; war Eurer Mutter nur nach Deutschland
Auf kurze Zeit gefolgt …
3790
TEMPELHERR . Nicht mehr! Ich bitt
Euch! – Aber Rechas Bruder? Rechas Bruder …
NATHAN . Seid Ihr!
TEMPELHERR . Ich? ich ihr Bruder?
RECHA . Er mein Bruder?
SITTAH . Geschwister!
SALADIN . Sie Geschwister!
RECHA
(will auf ihn zu)
. Ah! mein Bruder!
TEMPELHERR
(tritt zurück)
.
Ihr Bruder!
RECHA
(hält an, und wendet sich zu Nathan)
.
Kann nicht sein! nicht sein! – Sein Herz
Weiß nichts davon! – Wir sind Betrieger! Gott!
SALADIN
(zum Tempelherrn)
.
Betrieger? wie? Das denkst du? kannst du denken?
Betrieger selbst! Denn alles ist erlogen
An dir: Gesicht und Stimm’ und Gang! Nichts dein!
So eine Schwester nicht erkennen wollen! Geh!
TEMPELHERR
(sich demütig ihm nahend)
.
3800
Missdeut auch du nicht mein Erstaunen, Sultan!
Verkenn in einem Augenblick’, in dem
Du schwerlich deinen Assad je gesehen,
Nicht ihn und mich!
(Auf Nathan zueilend.)
Ihr nehmt und gebt mir, Nathan!
Mit vollen Händen beides! – Nein! Ihr gebt
Mir mehr, als Ihr mir nehmt! unendlich mehr!
(Recha um den Hals fallend.)
Ah meine Schwester! meine Schwester!
NATHAN . Blanda
Von Filnek!
TEMPELHERR . Blanda? Blanda? – Recha nicht?
Nicht Eure Recha mehr? – Gott! Ihr verstoßt
Sie! gebt ihr ihren Christennamen wieder!
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Verstoßt sie meinetwegen! – Nathan! Nathan!
Warum es sie entgelten lassen? sie!
NATHAN . Und was? – O meine Kinder! meine Kinder! –
Denn meiner Tochter Bruder wär mein Kind
Nicht auch, – sobald er will?
(Indem er sich ihren Umarmungen überlässt, tritt Saladin mit unruhigem Erstaunen zu seiner Schwester.)
SALADIN . Was sagst du, Schwester?
SITTAH . Ich bin gerührt …
SALADIN . Und ich, – ich schaudere
Vor einer größern Rührung fast zurück!
Bereite dich nur drauf, so gut du kannst.
SITTAH . Wie?
SALADIN . Nathan, auf ein Wort! ein Wort! –
(Indem Nathan zu ihm tritt, tritt Sittah zu dem Geschwister, ihm ihre Teilnehmung zu bezeigen; und Nathan und Saladin sprechen leiser.)
Hör! hör doch, Nathan! Sagtest du vorhin
Nicht –?
NATHAN . Was?
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SALADIN . Aus Deutschland sei ihr Vater nicht
Gewesen; ein geborner Deutscher nicht.
Was war er denn? wo war er sonst denn her?
NATHAN . Das hat er selbst mir nie vertrauen wollen.
Aus seinem Munde weiß ich nichts davon.
SALADIN .
Und war auch sonst kein Frank? kein Abendländer?
NATHAN . O! dass er der nicht sei, gestand er wohl. –
Er sprach am liebsten Persisch …
SALADIN . Persisch? Persisch?
Was will ich mehr? – Er ist’s! Er war es!
NATHAN .
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