Nathan der Weise
Und: Was veranlasst einen christlichen Ritter unter Einsatz seines Lebens ein Judenmädchen zu retten?
2. Wenn Recha, die ihren Vater freudig begrüßt, von ihrer Rettung berichtet, merkt man, dass sie die Deutung Dajas übernommen hat und überzeugt ist, dass ihr ein »Wunder« (209) widerfahren sei, verursacht durch den unmittelbaren Eingriff eines »Engels« (190). Nathan tadelt Recha und Daja als »grausame Schwärmerinnen« (329) und sucht nach einer natürlichen Erklärung der Zusammenhänge, die auch für ihn vorläufig »so gar unglaublich« (254) sind. Nathan bestreitet nicht, dass es Gott ist, der letzten Endes die »Fäden lenkt« (275); aber er hält den Menschen für fähig, aus eigener Einsicht im Sinne dieses Gottes »Gutes« (358) zu tun und das Eingreifen von Engeln überflüssig zu machen. Deshalb ist laut Nathan im Sinne Gottes und zum Wohl der Menschen »gut handeln« (361, 364) angemessener, aber auch schwerer als »andächtig schwärmen« (360, 362). Recha zeigt sich nach dieser Belehrung weitgehend überzeugt, als das Gespräch dadurch unterbrochen wird, dass Al-Hafi, ein Schach-Partner Nathans, Muslim und neuerdings Schatzmeister des Sultans, erscheint.
3. Als Derwisch, d. h. als Mitglied eines mohammedanischen Bettelordens, fühlt sich Al-Hafi in der Rolle eines Schatzmeisters in den Diensten des Sultans sehr unwohl. Er sieht, dass der Sultan einerseits in Finanznöten ist und dass er andererseits Geld nicht besonders hoch zu schätzen scheint. Halbherzig macht Al-Hafi den Versuch, bei Nathan Geld für den Sultan zu leihen, und ist fast froh, als der das ablehnt.
4. Daja hat inzwischen den Tempelherrn »untern Palmen« (511) wandeln sehen. Nathan macht sich fertig, ihn zu begrüßen und zu sich nach Hause einzuladen.
5. Auf dem Platz mit Palmen wird der Tempelherr zunächst von einem Klosterbruder angesprochen. Dieser soll im Auftrag des Patriarchen, also des Bischofs von Jerusalem und somit des höchsten christlichen Repräsentanten am Ort, den Tempelherrn auf seine Zuverlässigkeit prüfen und ihn dann veranlassen, eine Botschaft des Patriarchen an König Philipp, den Führer des Kreuzfahrerheers, zu übermitteln, diesen dabei über die Situation der Stadt Jerusalem zu informieren und selbst bereit zu sein, Saladin »den Garaus [...] zu machen« (671). Der Tempelherr, der von Sultan Saladin begnadigt wurde, sieht in solchen Tätigkeiten einen Verrat an seinem Wohltäter und weist die Bitten und Aufträge – zur großen Erleichterung des Klosterbruders – entschieden zurück.
6. Daja ist vorausgegangen und lädt den Tempelherrn ein, Nathan und sein Haus kennen zu lernen. Der Tempelherr weigert sich hartnäckig.
II. Aufzug
1. In seinem Palast spielt Sultan Saladin mit seiner Schwester Sittah Schach. Er ist unkonzentriert, was verwunderlich ist, da er bei Spielverlust einen Geldbetrag an die Gewinnerin zu zahlen hat, was aber verständlich wird, wenn man erfährt, welche Gedanken ihn bewegen. Er möchte Ausgleich zwischen den Konfliktparteien schaffen. Sein Bruder Melek hätte die Schwester von Richard Löwenherz, dem Heerführer der Gegenseite, heiraten sollen. Doch Melek ist verschollen. Nun möchte er seine Schwester Sittah mit Richards Bruder verbinden, um so »der besten Häuser in der Welt das beste« (862) zu begründen. So soll – auch im Großen – ein Verbund von Menschen entstehen, der die Unterschiede der Völker und der Konfessionen überwindet.
2. Al-Hafi, der dem Sultan meldet, dass ausstehende Gelder aus Ägypten »vermutlich« (916) angekommen seien, möchte den Sultan vor der drohenden Niederlage im Schach bewahren, merkt aber, dass Saladin an einem Gewinn überhaupt nicht gelegen ist, und deckt schließlich auf, dass Sittah die im Spiel gewonnenen Gelder ohnehin in die Kasse Saladins zurückgibt. Beide, Saladin und Sittah, können Geld nicht für sich behalten, wenn sie sehen, dass es ein anderer nötig braucht. Sittah möchte Al-Hafi veranlassen, Geld für den Sultan bei Nathan zu entleihen, dessen »Reichtum« (1040) und »Weisheit« (1041) bei früherer Gelegenheit von Al-Hafi gepriesen wurden.
3. Nachdem Al-Hafi etwas unwillig weggegangen ist, informiert Sittah ihren Bruder genauer über den Ruf, der dem Juden Nathan vorausgeht.
4. Recha, die immer mehr zu erkennen gibt, dass sie sich in den Tempelherrn verliebt hat, kann es kaum erwarten, dass Nathan mit ihrem Retter zusammentrifft.
5. Das Gespräch, in dem sich Nathan bei dem Tempelherrn für dessen
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