Nathanael
war. Ein gefährliches Unterfangen, denn der Boden drohte aufzureißen. Also blieb ihr nur die eine Möglichkeit.
Rogers näherte sich. In einer Hand schwang er drohend den Stock mit dem silbernen Knauf. Ihr Herz raste in der Brust, während sich jeder Muskel ihres Körpers anspannte, bereit für einen Sprint. Sie zögerte nur einen Moment, dann rannte sie los, den Ellbogen angewinkelt, um Rogers damit auf die Gleise zu stoßen.
Doch bevor sie zusammenstießen, holte er mit dem Stock aus. Um dem Schlag auszuweichen, duckte sie sich und tauchte unter ihm hinweg. Doch sie stolperte und knallte mit dem Ellbogen des angewinkelten Arms gegen die Wand mit den Pentagrammen.
Sie schrie vor Schmerz auf, aber es gelang ihr, den Sturz abzufangen. Sie richtete sich auf und wollte weiterlaufen, als sie aus dem Augenwinkel sah, wie Rogers erneut ausholte.
«Du kannst nicht entkommen!», schrie er.
Tessa sprang vor. Rogers verfehlte sie und der Stock zerbarst an der Mauer. Zornig starrte Rogers auf den Silberknauf, der über den Bahnsteigrand auf die Gleise kullerte und in der Spalte verschwand.
In diesem Moment erkannte Tessa, dass der Alte zu dicht am Rand stand. Jetzt musste sie die Chance wahrnehmen, um sich seiner endgültig zu entledigen. Sie biss die Zähne zusammen, streckte die Arme nach vorn und stieß zu.
Rogers schrie auf und versuchte das Gleichgewicht zu halten, aber er rutschte an der Kante ab und stürzte rückwärts auf das Gleisbett. Er schlug mit dem Kopf auf eine Schiene und blieb reglos liegen. Auch Tessa verlor durch den Schwung erneut das Gleichgewicht, konnte sich aber gerade noch rechtzeitig abfangen.
Im selben Moment bebte der Boden unter ihren Füßen. Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und beobachtete voller Entsetzen, wie sich die Spalte langsam öffnete und den Körper des Alten verschlang. Sie mussten hier weg, aber noch tobte der Kampf zwischen Nathanael und dem Gefallenen.
Nathanaels Muskeln spannten sich, um zu einem neuen Schlag auszuholen.
Er wollte den Gefallenen vernichten. Hier und jetzt. Seinetwegen hatte Gina sterben müssen. Jetzt war der Augenblick der Rache gekommen.
«Mehr hast du nicht drauf, Leviathan?», rief er und sprang über den Widersacher hinweg, um ihn von der anderen Seite anzugreifen.
Plötzlich begann der Boden zu beben. Aus dem Augenwinkel sah er, wie der Riss in der Wand aufbrach und sich weiter durch den Boden fraß, bis eine tiefe Spalte neben ihm gähnte, aus der Flammen emporschlugen.
Luzifer! Die Angst um Tessa durchfuhr seinen Körper wie ein Stromstoß.
Als der Beton unter seinen Füßen wie Sand bröckelte, sprang er beiseite. Er sah, wie Leviathan in die Spalte gleiten wollte, um Schutz bei Luzifer zu suchen. Doch noch war der Riss nicht breit genug.
Verdammt! Nathanael nahm die Verfolgung auf. Das gestaltete sich schwieriger als gedacht, denn im Boden öffneten sich immer mehr Feueradern, aus denen heiße, flüssige Erde emporschoss wie aus einem Geysir. Der Atem der Hölle.
Nathanael strauchelte, als der Boden unter seinen Füßen wie Gummi nachgab. Er rettete sich mit einem Hechtsprung auf eines der Gleise. Mit einem Schrei fuhr der Gefallene seine Flügel ein und stürzte sich in die Flammen. Nathanael fluchte und schrie vor Wut.
«Ich kriege dich, das schwöre ich!» Nathanael streckte das Flammenschwert empor, das im Halbdunkel leuchtete.
Die Hitze brannte nicht nur auf Nathanaels Haut, sondern schmolz den Boden unter seinen Füßen. Wenn er Leviathan vernichten wollte, musste er ihm durch das Höllentor folgen. Doch die Sorge um Tessa, um die es still geworden war, überwog.
Als er sich umdrehte, erkannte er erleichtert, dass sie sich vom Spalt entfernt hatte und nun auf einem schmalen Streifen Beton stand, der noch vor wenigen Sekunden der Bahnsteig gewesen war.
«Nathanael! Ich bin hier!», schrie sie.
Ungeachtet des Risikos übersprang er mit dem Schwert in der Hand die glühenden Spalten. Im gleichen Moment schoss eine mächtige Flamme empor, versengte seinen Ärmel und fraß sich in die Haut. Er verbiss den Schmerz und landete mit einem Satz neben Tessa.
Wortlos umschlang er ihre Taille und befand sich einen Wimpernschlag später am Fuß der Treppe. Der Boden erzitterte und Tessa verlor das Gleichgewicht. Nathanael drückte sie auf die Stufen und legte sich schützend über sie, als Steine auf sie herabregneten.
Nach wenigen Sekunden war der Spuk vorbei und die Feuerspalten hatten sich geschlossen. Nur die Wülste im
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