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Nathanael

Titel: Nathanael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Landers
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existierte keine Klingel, sondern nur ein Türklopfer, den ein Teufelskopf zierte. Früher waren ihr solche Details nie aufgefallen, aber die Ereignisse der vergangenen Tage hatten sie sensibilisiert.
    Tessa betätigte den Klopfer und wartete. Es dauerte, bis sie schlurfende Schritte hörte. Die Tür wurde aufgerissen und eine Frau mit schlohweißem Haar und faltigem Gesicht sah sie fragend und zugleich ängstlich an. Ihr cremeweißes Wollkostüm war elegant geschnitten. Ihre Hand fuhr zitternd über die hochgesteckten Haare.
    «Ja?», fragte sie mit rauer Stimme.
    «Hi, mein Name ist Tessa McNaught, ich möchte gerne mit Jenna Mayor sprechen.»
    Die Frau versteifte sich und in ihren Augen schimmerte es feucht.
    «Wissen Sie es denn nicht?», fragte sie leise.
    «Nein, was denn?»
    «Jenna ist tot.» Es war nicht zu übersehen, wie nah der Frau der Tod Jenna Mayors ging. Aus der Ähnlichkeit schloss Tessa, dass sie verwandt, eventuell sogar Mutter und Tochter waren.
    «Tot?» Tessa war geschockt. Sie hatte so gehofft, von Jenna Mayor etwas über den Verlauf der Séance zu erfahren. Und jetzt das!
    «Sie hat sich vor zwei Tagen vom Dach eines Parkhauses gestürzt.» Die Lippen der alten Dame zitterten.
    «Sie hat … Selbstmord begangen?» Tessa begann zu frösteln. Ein flaues Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus. Es konnte doch kein Zufall mehr sein, dass sich auch Jenna Mayor nach der Séance das Leben genommen hatte. Irgendetwas musste bei dieser Sitzung vorgefallen sein.
    «Das tut mir unendlich leid. Bitte verzeihen Sie die Störung.»
    «Sind Sie eine Bekannte von Jenna?», fragte die Frau leise.
    Tessa schüttelte den Kopf und erklärte in knappen Sätzen den Grund, weshalb sie hergekommen war.
    «Kommen Sie doch bitte herein. Vor der Tür spricht es sich nicht gut. Ich bin Agnes Mayor, Jennas Mutter.» Sie reichte Tessa die Hand, bevor sie beiseitetrat und ihr mit einer Geste bedeutete, hereinzukommen.
    «Danke, aber …»
    «Ich bin über ein wenig Ablenkung froh.» Agnes Mayors dünne Lippen kräuselten sich zu einem traurigen Lächeln. Sie fühlt sich einsam , kam es Tessa in den Sinn. Das Leben hatte tiefe Falten in Agnes Mayors Gesicht gegraben. Sie drehte sich um und lief einen langen, schmalen Korridor entlang, an dessen Ende sich ein Rundfenster befand, durch das man in einen begrünten Innenhof sah. Ein seltener Ausblick inmitten der dichten Häuserblocks Manhattans.
    Tessa folgte ihr. Sie war zwar darauf gespannt, mehr über Jenna zu erfahren, aber Agnes Mayor wirkte verständlicherweise sehr labil, so kurz nach dem Selbstmord ihrer Tochter, und sie wollte die Frau nicht aufregen. Tessa fragte sich, wie viel Agnes über die Séance wusste.
    Die hohen Wände und Stuckdecken des Salons erinnerten an ein europäisches Palais. Die ausladenden Polstermöbel mit dem Perserteppich inmitten des marmornen Salons wirkten wie eine Insel. Regale, die bis zur Decke reichten, vollgestopft mit unzähligen Büchern, rahmten die Sitzgruppe ein.
    Agnes Mayor steuerte auf die Couch zu und bat Tessa in einem der Sessel Platz zu nehmen.
    «Möchten Sie vielleicht einen Kaffee? Oder ein Glas Wasser?», bot sie Tessa an.
    «Nein, danke, ich bin nicht durstig.» Tessa rutschte unruhig im Sessel hin und her.
    Die andere Frau setzte sich. «Sie wollten mit mir über Jenna sprechen?»
    «Das wäre schön. Aber wenn es Ihnen schwerfällt, so kurz nach ihrem Tod, dann …»
    «Schon gut. Reden hilft.»
    «Danke. Sie sind wirklich sehr tapfer.» Tessa beugte sich vor. «Wussten Sie, dass Ihre Tochter kurz vor ihrem Tod eine Séance besucht hat?»
    Erstaunt hob Agnes Mayor die Brauen. «Nein, das wusste ich nicht. Aber Jenna besaß schon immer einen Hang zu Okkultem. Sie suchte regelmäßig eine Hellseherin auf. Woher wissen Sie das mit der Séance?»
    «Weil sie sie mit meiner Freundin Hazel besucht hat. Auch Hazel hat sich vor zwei Tagen das Leben genommen. Sie sprang vom Dach eines Hauses. In ihrem Kalender fand ich eine Eintragung, in der der Name ihrer Tochter stand. Außerdem noch zwei Männernamen, ein weiterer Teilnehmer der Séance und der Dritte war vermutlich das Medium.»
    Agnes Mayors Augen weiteten sich vor Entsetzen. «Das ist ja schrecklich», flüsterte sie und schlug die Hand vor den Mund. «Meinen Sie, diese Séance könnte für den Tod der beiden verantwortlich sein?» Ihre Stimme klang erregt.
    «Schon möglich. Aber wissen Sie, ich bin fest davon überzeugt, dass meine Freundin keinen Selbstmord begangen

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