Nathanael
als machten sie ihm überhaupt nichts aus. Ein hämisches Grinsen umspielte seine Lippen, das Tessa trotz der Hitze frösteln ließ. Es war der Mann, den sie nach Hazels Tod auf der anderen Straßenseite gesehen hatte.
«Wer sind Sie?», flüsterte sie, während ihr Herz wie ein Trommelwirbel raste.
«Jemand, der sich um deine Seele kümmert», antwortete er mit sanfter Stimme.
Tessa schluckte hart. Der Mann wirkte finsterer als die Nacht und gefährlicher als das Feuer. Sein blauschwarzes Haar reichte ihm bis zum Kinn. Sein Gesicht trug androgyne Züge.
Seine Pupillen weiteten sich mehr und mehr, bis sie die Iris verdrängten und selbst das Weiß ringsum verschwand. So hatte sie sich immer Luzifer vorgestellt , fuhr es ihr in den Sinn. Furcht kroch ihren Rücken hinauf und krallte sich in ihrem Nacken fest.
«Warum springst du nicht? Rette dich. Es ist so einfach.» Seine Stimme klang samtig und lullte sie ein.
Du rettest dich nicht. Wenn du springst, ist dir der Tod gewiss , mahnte sie ihre innere Stimme.
Das Lächeln des Mannes wurde breiter, als er bemerkte, wie Tessa einen flüchtigen Blick über die Schulter nach unten warf.
Die schwarzen Augen ihres Gegenübers blitzten auf. «Spring, spring», forderte er und trat auf sie zu, «es gibt keinen anderen Ausweg. Beende dein Leben selbst, bevor es die Flammen tun. Das Feuer wird das Fleisch von deinen Knochen fressen. Ich höre bereits deine Schmerzensschreie.»
«Nein!», krächzte sie.
Hinter seinem Rücken breiteten sich schwarze Flügel aus. War er der Tod?
Beende dein Leben! Seine Worte wiederholten sich in ihrem Kopf und machten sie willenlos. Langsam wandte sie sich zum Fenster um.
«Spring! Spring!», forderte er. Seine Stimme wurde drängender und hallte in ihr weiter. Ihr Körper gehorchte ihm, als sie auf die Fensterbank stieg und mit ausgebreiteten Armen nach unten sah.
«Ja, so ist es gut. Nur noch einen Schritt und du hast es geschafft. Du musst dem Feuer entkommen. Spring endlich!»
Hinter sich hörte sie das Knistern des Feuers, das alles gierig verschlang. Sie wollte nicht verbrennen. Sie sah Ernest vor sich bei ihrem letzten Treffen und Stevens Stimme am Telefon klang noch in ihren Ohren. Wie im Zeitraffer lief ihr Leben noch einmal vor ihren Augen ab. So war es also, bevor der Tod einen umarmte.
Der Wind fuhr durch ihre Sachen, aber sie spürte es kaum. Tessa schloss die Augen und lehnte sich vor. Nein, ich werde nicht springen! Sie bot all ihre Willenskraft auf, um der eindringlichen Stimme in ihrem Innern etwas entgegenzusetzen. «Mach es dir nicht so schwer. Spring! Spring!», flüsterte er ihr ins Ohr.
«Nein!» Ihr krächzender Schrei endete in einem Husten. Ihre Hände fanden Halt am Mauerwerk. Sie zitterte vor Anstrengung, ihre Finger krallten sich in die Fugen.
«Du kannst es nicht allein? Dann werde ich dir helfen.»
«Nein!» Tessa wollte schreien, aber ihre Stimme versagte.
Von einer heißen Druckwelle im Rücken erfasst, verlor sie auf dem schmalen Fenstersims das Gleichgewicht und kippte vornüber. Ihr Schrei erstickte in der kratzigen Kehle. Gleich wäre alles vorbei. Würde sie danach noch etwas spüren? Im Angesicht des Todes erschien Nathanaels Gesicht vor ihr, den sie nun nicht mehr wiedersehen würde. Der Gedanke erfüllte sie mit unendlicher Traurigkeit.
«Nathanael», flüsterte sie, bevor sie durch die kalte Luft mit ausgebreiteten Armen wie ein tödlich getroffener Vogel ihrem Ende entgegenstürzte.
«Nathanael.»
14.
Mühsam öffnete Nathanael seine bleiernen Lider und blinzelte in eine flackernde Neonlampe. Verschwommen nahm er die Umrisse von zahlreichen Autohecks wahr. Er brauchte einen Moment, um sich zu besinnen, was geschehen war.
Tessa hatte im Wagen neben einem Mann gesessen und war von einem der beiden Dämonen angegriffen worden, die sie verfolgt hatten. Er hatte das beobachtet, sich auf ihn gestürzt und von der Kühlerhaube gerissen. Zusammen waren sie gegen eine Säule geprallt und er hatte das Bewusstsein verloren.
Er drehte sich zur Seite und stöhnte auf, als ein Schmerz wie ein Blitzschlag durch seinen Kopf zuckte. An seinen feuchten Händen klebte Dämonenasche. Er hatte nur einen erwischt, der andere war sicher über alle Berge.
Wütend rappelte er sich auf, bis er schwankend auf den Beinen stand, die sich wie Fremdkörper anfühlten. Er kniff die Augen zusammen und war erleichtert, als er sein Umfeld wieder klar sehen konnte. Seinem Engelsblut verdankte er eine schnelle
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