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Nathanael

Titel: Nathanael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Landers
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dass Tessa ihn nicht nur körperlich anzog, sondern er für sie Gefühle entwickelt hatte, die tiefer gingen als angenommen. Aus seinem anfänglich puren sexuellen Begehren war Zuneigung geworden, die jene, die er für Gina empfunden hatte, noch weit übertraf.
    Ohne dass er es wahrgenommen hatte, hatte Tessa sich in sein Leben geschlichen, in sein Herz. Nun bestimmte sie sein Denken und Handeln, und die Chance, sich dagegen zur Wehr zu setzen, war vertan. Genau das hatte er immer vermeiden wollen: sich um jemanden zu sorgen.
    Nathanaels Hoffnung, sie lebend wiederzusehen, sank mit jedem Atemzug. Von tiefer Hoffnungslosigkeit erfüllt blickte er auf die Feuersbrunst hinab. Plötzlich hörte er jemanden seinen Namen flüstern. Hatte er eben wirklich Tessas Stimme gehört oder entsprang das nur seiner Einbildung?
    Sie lebte. War sie etwa in den Flammen eingeschlossen? Nein, das konnte nicht sein. Er lauschte, woher die Stimme kam, aber das Wispern wurde von den Nebengeräuschen überdeckt. Nathanael fluchte, als es schließlich ganz verstummte. Er musste landen und nach ihr suchen. Jetzt zählte jeder Moment.
    Damit ihn keiner sehen konnte, flog er zur Rückseite des Hauses, in den kleinen rechteckigen Hof, der von einer Mauer umgeben und dadurch von der Straße nicht einsehbar war. Eine heftige Windböe zwang ihn, tiefer zu gehen, und er befürchtete, entdeckt zu werden.
    Aber die Aufmerksamkeit der aufgebrachten Meute unter ihm galt einzig dem Feuer. Ihre Köpfe ruckten herum, als die Feuerwehr heranpreschte.
    Er würde Tessa finden, selbst wenn er dafür buchstäblich durchs Feuer gehen musste. Verzweifelt suchten seine Augen jeden Zentimeter unter sich nach einem Hinweis ab. Langsam schwebte er in den Hof. Im obersten Stockwerk nahm er eine plötzliche Bewegung wahr und erstarrte.
    Im geöffneten Fenster stand Tessa, kreidebleich und mit schreckgeweiteten Augen. Er hätte vor Erleichterung schreien können, weil sie noch lebte. Jetzt war er da, um sie aus dem Flammenmeer zu retten. Doch im gleichen Atemzug erkannte er schwarze Flügel, die sich über ihr wie ein Schleier ausbreiteten. Der Gefallene! Verflucht! Wer war er? Nathanael konnte sein Gesicht nicht erkennen. Ihm blieb keine Zeit darüber nachzugrübeln, denn die Situation erforderte schnelles Handeln. Nachdem seine dämonischen Handlanger versagt hatten, griff der Meister selbst ein.
    Aber da hast du die Rechnung ohne mich gemacht . Nathanael ballte die Hände zu Fäusten.
    Angst und Verzweiflung lagen in Tessas Miene. Sie breitete die Arme aus und sah nach unten. Da war es wieder, das leise Wispern seines Namens. Dass sie in der Not nach ihm rief, berührte ihn und erfüllte ihn mit einem Gefühl, das er nicht beschreiben konnte, nur, dass es sich unglaublich gut anfühlte. Wenn sie tatsächlich sprang, käme es einem Selbstmord gleich. Darauf spekulierte der Gefallene, um ihre Seele zu erlangen. Genau vor solch einem Moment, wieder einen Menschen, den er … der ihm viel bedeutete, nicht retten zu können, hatte er sich gefürchtet.
    «Nein! Tu es nicht, Tessa!», schrie Nathanael. Doch sein Appell kam zu spät. Im selben Moment verlor sie das Gleichgewicht und stürzte kopfüber in die Tiefe.
    Nathanael blieb das Herz stehen. Ohne zu zögern schoss er nach vorn, um sie aufzufangen. Im Flug packte er sie und zog sie an sich. Fest umschlang er ihren schlaffen Körper und presste in seiner grenzenlosen Erleichterung geräuschvoll die Luft aus seinen Lungen.
    «Blutengel! Das wirst du noch bereuen. Auch wenn du jetzt für den Augenblick gewonnen hast, die Seele dieses Weibes wird bald mir gehören», erklang über ihm die wutverzerrte Stimme des Gefallenen, bevor er sich mit seinen kräftigen Schwingen pfeilschnell in die Luft katapultierte.
    «Niemals. Sie wird niemals dir gehören, denn sie steht unter meinem Schutz!», rief Nathanael dem Gefallenen nach, der in der Dunkelheit verschwand. Ohne Tessa wäre es ihm ein Leichtes gewesen, ihn zu verfolgen. Aber das war im Moment gleichgültig. Nur sie zählte.
    Tessa hing wie eine leblose Puppe in seinen Armen, als er sie über den Hof trug. Neben ihnen knarrte und ächzte das brennende Gebälk.
    Nathanael wählte den Weg dicht an der Mauer, nicht nur, um dem Funkenregen und herabfallenden, brennenden Balken zu entkommen, sondern auch um den Blicken der Leute zu entgehen, die sich vor dem Haus versammelt hatten. Er musste sich beeilen, denn sicherlich würden gleich die Einsatzkräfte der Feuerwehr das große

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