Nathanael
– an dich gedacht. Wir wissen, wie knapp du bei Kasse bist und einen Auftrag brauchst. Und du bist der Erfahrenste. Du solltest es dir wirklich überlegen …»
«Nein!», donnerte Nathanael und funkelte Daniel wütend an. Wenn er nicht sein Freund wäre, hätte er ihn am Kragen gepackt und geschüttelt. Er würde den Auftrag nicht annehmen und basta.
«Okay, okay. Ist allein deine Entscheidung», sagte Daniel.
Nathanael ließ seinen Blick durch die Bar gleiten, bis er an einer Brünetten hängen blieb, die gerade an der Jukebox stand und Münzen hineinwarf. Sie besuchte die Bar öfters.
Als sie seinem Blick begegnete, leckte sie sich frivol über die Lippen. Früher wäre er sofort auf diesen Wink angesprungen, doch jetzt stand ihm weiß Gott nicht der Sinn nach schnellem Sex. Außerdem reizte sie ihn nicht mit ihrer gertenschlanken Figur und dem flachen Busen.
Nathanael wandte sich ab. Warum gibst du nicht zu, dass du lieber nach oben gehen würdest, um zu Tessa unter die Decke zu schlüpfen?
Halt’s Maul , dachte er und ignorierte seine innere Stimme.
«Wenn du nicht interessiert bist, ich schon. Die ist ganz schön heiß.» Daniel grinste und zwinkerte der Brünetten zu, bevor er sich erhob.
Wenig später verschwand er mit ihr hinter der Tür zum Treppenhaus. Der Drang in Nathanael war übermächtig, auch hinaufzugehen. Stattdessen orderte er weitere Wodkas. Tessa bewachen? Niemals. Und doch wünschte er sich nichts sehnlicher, als immer in ihrer Nähe zu sein.
Er klebte auf seinem Stuhl bis zum Morgengrauen, bis Cynthia die letzten Gäste aus der Bar warf und hinter ihnen die Tür abschloss. Danach begab sie sich hinter die Theke, um Gläser zu spülen. Mürrisch blickte sie zu ihm. Er spürte, dass sie ihm etwas sagen wollte, aber aus irgendeinem Grund noch zögerte.
Nathanaels Hirn war vom Alkohol leer. Aber das hatte er so gewollt. Nach dem dritten Glas Wodka hatte er zu zählen aufgehört. Seine Laune war schon mies genug, verschlechterte sich aber noch mehr, als Cyn hinter der Theke hervortrat und ihre Mundwinkel sich nach unten zogen. Sie wischte sich die Hände an der Schürze trocken und sah auf ihn herab. Sie räusperte sich.
«Hör zu, Nathan, wir kennen uns zwar schon eine Ewigkeit, aber ich habe jetzt lang genug auf meine Miete gewartet. Immer hast du mir sie versprochen und ich habe dir geglaubt. Aber es kam nie was. Jetzt ist Schluss! Wenn ich sie nicht bis zum Monatsende bekomme, musst du dir eine neue Bleibe suchen. Ich bin verdammt noch mal auf das Geld angewiesen! Alles klar?»
Sie hatte sich richtig in Rage geredet, sodass ihre Stimme sich bei den letzten Worten überschlug. Nathanael konnte sie verstehen. Dennoch schien sich heute alles gegen ihn verschworen zu haben.
Schon seit Langem plagte ihn das schlechte Gewissen wegen Cynthia. Leider brachte ihm der Auftrag seines Vaters keine Dollars ein und er brauchte noch ein Weilchen Zahlungsaufschub. Erst wenn er den Gefallenen und seine Dämonen vernichtet hatte, könnte er einen neuen, lukrativen Auftrag annehmen, mit dem er die Miete tilgen konnte. Ohne Tessa.
«Hör zu, Cyn. Du kriegst dein Geld schon, aber lass mir noch etwas Zeit. Ich muss erst …»
«Ich habe deine Erklärungen satt, Nathan! Du hattest genug Zeit. Und das ist mein letztes Wort.» Damit machte sie auf dem Absatz kehrt, feuerte die Schürze, die sie in der Hand hielt, hinter den Tresen und verließ die Bar. Die Tür krachte hinter ihr ins Schloss.
Nathanael stöhnte auf und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Wo sollte er hin, wenn sie ihm tatsächlich kündigte? Das Engelsghetto war sein Zufluchtsort, seine Heimat geworden. Er legte den Kopf auf den Tisch und schloss die Augen.
Augenblicklich war er eingeschlafen.
17.
Feuer! Tessa saß senkrecht im Bett. Ihr Herz raste und jagte Adrenalin durch den Körper. Ängstlich suchte ihr Blick nach Flammen. War da nicht eben draußen im Flur ein Knistern gewesen?
Sie lugte zur Tür hinüber und atmete erleichtert aus, als sie weder Flammen noch Rauch entdeckte. Es war ein Traum. Du bist nicht mehr in Sacred Hearts. Es brauchte einen Moment, bis ihr das bewusst wurde und auch wo sie sich befand.
Hell’s Bar .
«Willkommen in der Hölle», sagte sie laut. So sah es hier auch aus in dieser finsteren Kaschemme, im Nirgendwo New Yorks.
Trotz ihrer Vorbehalte fühlte sich hier sicherer als in Sacred Hearts , was nicht zuletzt an Nathanaels Gegenwart lag.
Die Erinnerungen an den Gefallenen mit den schwarzen
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