Nathanael
Diese Geste wirkte besitzergreifend, als gehörte sie zu ihm. Tessa, du wünschst es dir , meldete sich eine Stimme in ihrem Innern.
«Ich habe dich vor ein paar Tagen bei einem Kampf auf der Straße beobachtet in Brooklyn.»
«Und ich habe gewonnen», verkündete Joel mit einem breiten Grinsen.
«Ja, du hast gewonnen und dann dem Dämon … das Herz aus der Brust geschnitten.» Tessa zog eine Grimasse.
Aus dem Augenwinkel bemerkte sie Ernests entsetzten Blick. Joels Grinsen wurde breiter.
«Ah, dann hast du den Stein geworfen, dem ich meinen Sieg zu verdanken habe?» Er zwinkerte ihr verschwörerisch zu.
Der Druck von Nathanaels Hand verstärkte sich. Sie spürte, wie sein Daumen über ihr Schulterblatt strich und wohlige Schauer auslöste. Es fiel ihr in diesem Augenblick schwer, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Tessa räusperte sich und nickte nur, um sich durch ihre heisere Stimme nicht zu verraten.
Nathanael massierte sanft weiter. Von seiner Hand ausgehend durchliefen heiße Wellen ihren Körper.
«Hey, vielen Dank. Ganz schön mutig. Alle Achtung. Kennst du jemanden in diesem Viertel?»
Alle Augenpaare richteten sich auf sie. Nathanael nahm in diesem Augenblick seine Hand von ihrer Schulter, was sie aufatmen ließ.
Es fiel ihr jetzt leichter zu reden und mit wenigen Sätzen schilderte sie das Geschehen um Hazels Tod, ihre Entdeckungen und ihren Plan zu beweisen, dass ihre Freundin sich nicht selbst umgebracht hatte.
«Vielleicht wollen diese Kreaturen nicht, dass ich herausfinde, was wirklich geschehen ist, und haben deshalb versucht, mich umzubringen. Aber ich muss wissen, was wirklich mit Hazel passiert ist. Sie war keine Selbstmörderin. Versteht ihr? Ich bin es meiner Freundin schuldig, alles aufzuklären.»
Tessa redete sich in Rage, denn Hazels Tod wühlte sie noch immer auf, und sie musste die anderen von ihrem Vorhaben überzeugen, vor allem Ernest, der sie fassungslos ansah.
Ihr Eifer war Anlass genug für ihn einzuhaken. «Das ist doch wahnwitzig. Ich möchte, dass du alles auf sich beruhen lässt und deine Nachforschungen sofort einstellst. Damit kannst du Hazel auch nicht wieder lebendig machen. Komm, wir fahren jetzt zu mir. Dort bist du sicher. Alles andere wird sich finden und wenn ich den Papst persönlich anrufen muss.»
Er griff nach ihrer Hand und sah sie eindringlich an. Aber Tessa zögerte.
«Ich glaube nicht, dass das eine so gute Idee ist, wenn Ihre Schwester das Engelsghetto verlässt. Wollen Sie, dass so was wie im Parkhaus noch einmal geschieht?», warf Nathanael ein.
Ernest wandte sich ihm zu. «Wie meinen Sie das?»
«So, wie ich es gesagt habe. Es gibt für Tessa keinen sichereren Ort als hier», bekräftigte Nathanael.
«Aber was ist mit meinem Bruder? Sollte er nicht auch hier bleiben? Schließlich wäre auch er fast im Parkhaus gestorben», schaltete Tessa sich ein. Ernest war ihr Bruder und sie hatte Angst um ihn. Sie könnte es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren, wenn ihm etwas zustieße.
«Sie wollen dich, nicht ihn, sonst hätten sie ihn längst töten können. Er war nur Mittel zum Zweck, um dich auszuschalten. Aber seine Gefühle für dich könnte der Gefallene ausnutzen und seine Dämonen in ihn eindringen lassen. Er könnte Dinge ausführen, die dich in Gefahr bringen. Wie im Parkhaus.»
Daran konnte Tessa sich nur zu gut erinnern. Dennoch bestärkte sie es nur noch mehr darin, weiter zu recherchieren.
Sie musste herausfinden, warum Hazel gestorben war und weshalb ihr diese Kreaturen nach dem Leben trachteten. Es musste einen Zusammenhang geben, das spürte sie.
Damals nach dem Überfall hatte sie sich in sich selbst verkrochen. Sie hatte es nicht ertragen, darüber zu reden und alles zu hinterfragen: das Motiv der Räuber, die Morde und die Flucht eines Täters. Sie war froh, dass sie wegen des Aufenthalts in der psychiatrischen Klinik nicht bei der Gerichtsverhandlung hatte dabei sein müssen.
Aber dieses Mal ging es um einen Menschen, der ihr viel bedeutet hatte. Sie würde nicht aufgeben, bis sie alles erfahren hatte.
Alles in ihrem Leben hatte sich seit Hazels Tod schlagartig verändert. Eine Welt der Finsternis tat sich auf, der sie sich ausgeliefert fühlte. Einzig Nathanael hatte ihr Halt gegeben. Wie sollte sie das, was ihr geschehen war, anderen erklären? Sie würden glauben, dass sie verrückt geworden sei. So wie damals. Wer würde ihr schon abkaufen, dass es Engel gab, die um die Seelen von Menschen kämpften?
«Ich kann
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