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Nathaniels Seele

Titel: Nathaniels Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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über dem Zaun und lachte, bis sie kaum mehr Luft bekam.
    „Sein Gesicht,“ keuchte sie. „Ich werde mein Leben lang dieses bescheuerte Gesicht nicht mehr vergessen.“
    „Tut mir leid wegen des entgangenen Gelds.“ Nathaniel glitt vom Rücken des Cremello und befreite ihn von Sattel und Zaumzeug. „Aber dieser Typ gehörte zu der Sorte Menschen, die es in der Pferdebranche eindeutig zu häufig gibt. Wir finden eine Lösung, wie wir deine Farm auf Vordermann bringen. Okay? Altes, bewährtes Wissen kann da manchmal hilfreich sein.“
    „Du würdest es mit mir teilen?“ Josephine fing seine Hände ein, gerade als er den Sattel über den obersten Querbalken gelegt hatte. „Deine alten, geheimnisvollen Weisheiten?“
    „Warum nicht? So geheimnisvoll sind sie nun auch nicht. Ich bin zwar kein Experte, was Ackerbau und dergleichen betrifft, aber ich kenne mich mit Pferden aus. Mein Stamm besitzt ein paar Prachtexemplare. Fangen wir doch einfach damit an. Was meinst du?“
    „Liebend gern. Und was machen wir jetzt?“
    Nathaniel legte den Kopf schief. „Wie wäre es mit einer entspannenden Einstimmung auf einen anstrengenden Abend?“

 
    „Das hier.“ Josephine hielt das Kleidungsstück ausgebreitet vor sich. Sein dunkelbraunes Leder war weich, aber relativ dick. Es war eine Art ärmelloses Wams, oder wie auch immer man so etwas nannte, und grob mit Sehnen vernäht worden. „Es sieht so schön archaisch aus. Ist es auch von deiner Frau genäht worden.“
    „Nein.“ Nathaniel lachte und begann, sich auszuziehen. Die Ungeniertheit, mit der er es tat, rührte sie. „Ich habe es gemacht. Beides. Sieht man doch, oder?“
    „Jetzt, wo du es sagst.“ Josephine hielt ihm die ausgesuchte Hose entgegen. Sie bestand aus demselben Leder wie das Wams und war ähnlich verarbeitet. Nachlässig, aber gerade das gefiel ihr daran.
    „Was sind deine Kräfte?“, fragte sie, während Nathaniel sich umzog. „Was kannst du mit deinem geistreichen Symbionten anfangen?“
    Er lachte über diese Bezeichnung. „Ich kann mich selbst und andere Körper sehr schnell heilen, wie du selbst schon erfahren hast. Ich kann Menschen manipulieren, ihr Gedächtnis verändern und sie in die Irre führen, genauso, wie ich sie auf den richtigen Weg zurückbringen kann. Der Geist bringt Menschen auch ohne meinen bewussten Einfluss dazu, wichtige und unwichtige Dinge zu erkennen. Er kann eine Art Erkenntnis auslösen. Selbstreflexion. Veränderung. Er tröstet und gibt Kraft an die, die es brauchen. Vielleicht hast du es selbst bemerkt. Das Gefühl, als gäbe dir meine Nähe Halt. Wie der sprichwörtliche Fels in der Brandung. Egal, wie wütend du auf mich warst. Oder wie sehr ich dich verwirrt habe.“
    Josephine nickte. Jetzt, da er sich umgezogen hatte, schien sich die Zeit zurückzudrehen. Sie wurde unwirklich. Brachte sie in vergangene Ären. „Du solltest nie etwas anderes tragen“, flüsterte sie. Ihre Hände legten sich auf seine Brust, als sie sich zu ihm gesellt hatte. „Das hier gehört zu dir. Das und nichts anderes.“
    „Ich lebe nicht mehr im neunzehnten Jahrhundert“, antwortete er. „Auch wenn ein großer Teil von mir immer noch dort festhängt.“
    Josephine lächelte. Entrückt befühlte sie das Leder, roch daran, strich über die groben Nähte und wünschte sich, durch seineAugen, durch seine Erinnerung sehen zu können. Als sie nach seinem Haarband griff, um es zu lösen, fing er ihre Hand ein.
    „Nein. Das stört nur. Und nimm das hier. Weiß ist im Wald zu auffällig.“
    Er gab ihr eines seiner braunen Hemden, ließ es sie über ihr T-Shirt ziehen und nahm sie an der Hand. Jacob, der mit mehreren Helfern auf der großen Wiese Heu wendete, winkte ihnen zu, als sie auf den Wald zuhielten, und rief gegen den Lärm des Motors an, dass ihnen alle Zeit der Welt gehöre.
    An Nathaniels Seite wanderte Josephine durch den Wald. Genüsslich ihre Ungeduld schürend, voller Wonne mit Gesten, Blicken und Berührungen spielend. Wie gefangen war sie in diesem Taumel der Verzauberung. Stunden verflogen, während Nathaniel ihr den Wald zeigte, so wie er ihn sah. Es gab zahllose Kleinigkeiten, die einem flüchtigen Blick verborgen blieben. Zeichen, die ihr Geheimnisse verrieten. Spinnennetze, die das Wetter vorhersagten. Winzige Tiere in hohlen Baumstämmen oder unter dem Farn, die sie nie zuvor erblickt hatte. Spuren, die Geschichten erzählten. Eine kleine Schlange, die er unter einem verfaulenden Baumstamm hervorholte und auf

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