Nathaniels Seele
strengen Geruch nach schmelzendem Plastik verströmend, sank er kraftlos gegen die Wand des Transporters.
„Nat?“ Josephine stemmte sich hoch, umfing sein Gesicht mit beiden Händen – und keuchte entsetzt auf.
„Oh mein Gott.“
Ihre Handgelenke waren verbrannt. Blasen warfen sich auf, Haut schälte sich in Fetzen von ihren Knochen. Der letzte Rest Farbe wich aus ihrem Gesicht.
„Ich kann es heilen“, flüsterte Nathaniel.
Er griff nach ihren Armen, doch sie entzog sich ihm. „Was ist los mit dir? Warum bist du …“
„… so schwach?“, vollendete er ihren Satz. „Verliere ich Energie, muss ich sie an Woksapas Grab auffüllen. Aber in den letzten Tagen waren andere Dinge wichtiger. Ich war zu nachlässig. Ich hätte länger dort bleiben müssen.“
„Ich habe dich gefunden und fortgeschleppt“, schluchzte sie. „Weg von dem Grab. Es tut mir leid.“ Tränen rannen über Josephines Wangen. Sie biss sich auf die Lippe und schüttelte den Kopf. „Wenn du mich heilst, dann wirst du noch schwächer. Das lasse ich nicht zu.“
„Du musst fliehen.“ Zu schnell, als dass sie sich ihm hätte entziehen können, fing er ihre Handgelenke ein. Jetzt, da sein Zauber abflaute, stöhnte Josephine gequält auf. „Wenn die Tür aufgeht, fliehst du. Bitte. Ich weiß, dass du es schaffst.“
„Nein, ich lass dich nicht allein.“
„Schsch.“ Nathaniel ließ den Rest an Kraft, der noch in ihm war, in seine Hände strömen. Josephine weinte stumm, während Haut und Fleisch heilte und Schmerz verging. Sie weinte ohne einen Laut, doch ihr Körper bebte vor Verzweiflung. Schließlich, als er ihre unversehrte Haut unter seinen Fingern spürte, zog er sich von ihr zurück. Unendlich müde. Und so leer, dass es sich anfühlte, als versinke er in einem schwarzen, kalten Vakuum.
„Jeremy“, schluchzte Josephine und schmiegte sich an ihn. „Es war Jeremy.“
„Ich weiß“, antwortete er. Jedes Wort hallte in der Leere wider. Aber er durfte der Schwäche nicht nachgeben. Noch nicht.
„Warum?“ Ihre Finger strichen durch sein Haar. Wieder und wieder, mit wachsender Verzweiflung. „Ich dachte, er wäre auf deiner Seite. Wie viele im Stamm wissen, was du bist?“
„Nur ein kleiner, auserwählter Kreis. Niemand, dem ich nicht hundertprozentig vertrauen würde.“
Josephine stieß die Luft zwischen den Zähnen hervor. „So, wie du Jeremy vertraut hast? Warum hast du es nicht gewusst? Ich dachte, du würdest so was erkennen.“
Nathaniel schüttelte müde den Kopf. „In dieser Hinsicht bin auch ich nur ein Mensch. Jeremy hätte es gespürt, wäre ich in seinen Geist eingedrungen. Er war wie mein Sohn. Wie hätte ich ihn ausspionieren können? Vertrauen ist in dieser Welt allzu oft eine Schwäche. Es tut mir so leid.“
„Hast du sie nicht kommen gehört? Du hörst doch sonst so vieles.“
„Jo“, erwiderte er zärtlich, „in den Momenten, da ich vor dir saß, hätte eine Horde Wildschweine auf uns zugaloppieren können, ohne dass ich es wahrgenommen hätte. Meine Sinne waren einzig und allein bei dir.“
Josephine ließ den Kopf hängen. Ihren zarten Körper derart zittern zu spüren, tat zutiefst weh. Er trug an allem die Schuld. Allein er. „Aber warum warnte Jeremy mich?“, wimmerte sie. „Warum hatte ich das Gefühl, es wäre ihm lieber gewesen, allein zu dir zurückzukehren?“
Nathaniel erwiderte ihren Blick schweigend. Er wusste, warum, doch sagen konnte er es ihr nicht.
„Ein Zeichen, oder?“, hörte er sie sagen. „Er sah es als Zeichen. Ihr gebt doch eine Menge auf so was. Indem ich ihm gefolgt bin, habe ich ihn in seinem Entschluss bekräftigt. Ich machte seinen Plan erst möglich. Wäre ich nicht mit ihm gegangen, dann wäre das hier vielleicht nie passiert.“
„Nein“, flüsterte Nathaniel. „Nein, gib dir keine Schuld.“
„Aber warum hat Absá es nicht verhindert? Warum hat sie ihn das tun lassen? Sagtest du nicht, dass sie die Macht hat, jeden zu beherrschen?“
„Sie hat seinen Verrat gebilligt, weil er in irgendeinen ihrer kruden Pläne passt. Ich weiß es nicht. Es würde mich nicht wundern, wenn sie mit Jeremy unter einer Decke steckt.“
„Warum nur? Warum? Ich will dich nicht verlieren.“ Josephine klammerte sich an ihn, weinend und verzweifelnd. Sie zitterte wie ein verwundetes Reh in seinen Armen, die kaum noch die Kraft fanden, sie zu umschließen. Der Schmerz, der in ihm aufbrach, spottete jeder Beschreibung. „Wohin bringen sie uns?“
„Ich weiß
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