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Nathaniels Seele

Titel: Nathaniels Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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Arme ausgestreckt, kläglich bemüht, sein bröckelndes Gleichgewicht zu halten. Offenbar schlug die Droge besser an, als Nathaniel erwartet hatte.
    „Ich seh nichts“, lallte er nach eingehender Untersuchung des Gebüschs. „Ich seh nur ne Zigarette und’n Loch im Baum.“
    „Sie ist da. Sie …“ Ian kippte nach hinten. Er streckte einen Arm aus, deutete gen Himmel und sagte eine Weile nichts. Schließlich half ihm Barry auf die Sprünge: „Was’n?“
    „Nordlichter. Grün. Nein, blau. Ich seh Nordlichter. Du auch?“
    „Nö.“ Barry schüttelte den Kopf. Eine Weile starrte er vor sich hin, um schließlich seinen Oberkörper vor- und zurückzuwiegen. Wie ein Schamane, der mithilfe monotoner Bewegungen einen tranceartigen Zustand herbeizuführen gedachte.
    „Nur schwarz“, säuselte er. „Einfach schwarz … sehe nichts … gar nichts. Hm, hm …“
    Barry begann, mit geschlossenen Augen zu summen. Malcolm wiederum war zur Salzsäule erstarrt und beglotzte die im Wind schwingenden Äste einer Tanne. Minutenlang. Nathaniel wusste, dass das Elixier die Farb- und Formwahrnehmung des Mannes verrückt spielen ließ. Muster in den erstaunlichsten Facetten eröffneten sich dem Auge, während Bewegungen, zum Beispiel im Wind wiegende Tannenzweige, einer Erleuchtung gleichkamen.
    „Fuck!“, fluchte Ian nach Minuten der Stille. „Oh Shit, was zum Teufel …“
    Winselnd stand er auf und betastete seine Hose. Ein großer, nasser Fleck entstand auf dem Stoff, ausgehend von seinem Schritt.
    „Shit …“, wimmerte Ian. „Shit, shit, shit.“
    Barry beobachtete die Szene und begann zu lachen. Er versuchte aufzustehen, fiel in sich zusammen wie ein schlaffes Bündel und lachte noch lauter. Sein Lachen ging in ein Japsen über, schließlich in ein Keuchen. Immer wilder kugelte er sich auf dem Boden, hielt sich den Bauch, schlug sich auf die Schenkel und stammelte unverständliche Wörter, bis er unvermittelt erstarrte und mit aufgerissenem Mund auf dem Rücken liegen blieb.
    Nathaniel verließ seinen Aussichtspunkt mit einem lautlosen Sprung. Während Malcolm nach wie vor vom Anblick der Tanne wie gebannt war und Ian begann, mit schwingenden Armen im Kreis herumzutorkeln, widmete er sich dem paralysierten Barry. Er umfing dessen Gesicht, bemächtigte sich seines Geistes und begann, ihn in aller Seelenruhe zu manipulieren. Wie einfach es war. Mühelos und ohne jede Herausforderung. Barry wimmerte leise, während Nathaniels Macht in ihn drang, sein gesamtes Sein ummantelte, ausradierte und neu erschuf. Es war eine Sache von Sekunden. Beiläufig, als wische er Dreck von einer Oberfläche, säuberte er das Gehirn des Mannes von allem, was ihn störte. Als diese Angelegenheit zu seiner Zufriedenheit erledigt war, stand Nathaniel auf und widmete sich dem nächsten Opfer.
    „Mein Herz“, keuchte Ian und schlug sich auf die Brust. „Bleib drin, verdammt. Bleib drin. Nein!“
    Er warf sich nach vorn, mit ausgestreckten Armen, als wolle er ein Tier fangen. Panisch tasteten seine Finger über die Erde, schienen etwas Imaginäres zu erwischen und hielten es fest.
    „Bleib drin“, stöhnte Ian. „Scheiße, Mann. Bleib drin.“
    Wieder schlug er sich auf die Brust, keuchend, wimmernd, stöhnend, sich wie wild geworden herumwälzend. Erst, als Nathaniels Hände sein Gesicht umfingen, erschlaffte sein Körper.
    „Es ist … rausgesprungen“, stammelte Ian. „Einfach rausgesprungen. Weg. Wollte … weg. Weg von mir.“
    „Weichei“, knurrte er voller Verachtung. Dann begann wieder dasselbe Spiel. Ein kurzes Vertiefen in einen fremden Geist, Ordnung schaffend, verändernd und gesäubert freigebend. Ian fiel in einen Schlaf, aus dem er mit höllischen Schmerzen erwachen würde. Vermutlich irgendwann gegen Mittag des nächsten Tages.
    Blieb noch Malcolm. Offenbar hatte er sich vom Zauber der Tannenzweige losgerissen, denn nun torkelte er mit unkoordinierten Bewegungen durch den Wald. Jeder Arm und jedes Bein schien seinen eigenen Willen zu besitzen, was derart merkwürdig aussah, dass Nathaniel ihm eine Weile bei seinem Treiben zusah. Erst, als ein Baumstamm Malcolms Ausflug beendete und ihn zu Boden gehen ließ, brachte er die Aufgabe zu Ende.
    Zu guter Letzt ging Nathaniel zu dem aufgehängten Luchs. Schlaff baumelte das Tier an einem Ast, durchsiebt von fünf Kugeln. Er legte eine Hand auf die kalte Flanke. Der Körper war tot, doch der Geist, wie er überrascht bemerkte, noch nicht gegangen. Hungrig nach Leben und

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