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Natürliche Selektion (German Edition)

Natürliche Selektion (German Edition)

Titel: Natürliche Selektion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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richtigen Boot , dachte sie erleichtert und ängstlich zugleich. Sie hatte sich auf ein schwieriges Gespräch vorbereitet, nicht aufs Krabbenfischen auf offener See in einem fragwürdigen, übelriechenden Kutter.
    »Machen Sie die Leinen los – bitte«, forderte sie der gute Tom auf.
    Sie wollte aufbegehren, besann sich aber eines Besseren. Schließlich war sie es, die etwas von ihm wollte. Ob es ihr passte oder nicht: sie gehörte jetzt zu seiner Mannschaft. Sie versuchte vergeblich, die Seemannsknoten der dicken Taue zu lösen, gab entnervt auf und trat zur Seite. Tom grinste, als er die Knoten mit wenigen geübten Griffen entwirrte. »Sie können sich ja richtig freuen«, stellte sie nüchtern fest.
    Sein Grinsen wurde breiter. »Zum ersten Mal auf einem Fischkutter?«, fragte er spöttisch.
    »Und zum letzten Mal.«
    Er lachte laut auf. »Sie scheinen ja echten Humor zu haben. Gut für Sie, den werden Sie noch brauchen.«
    Das Schiff legte ab, nahm Fahrt auf, als sie den Hafen verließen und fuhr in die Morgendämmerung hinein zu den Fanggründen. Die See war unruhig. Der Bug hob und senkte sich, Gischt spritzte über das Deck. Es dauerte nicht lange, und ihr einst luftiges Kleid hing wie ein nasser Putzlappen am Leib, von den wirren Haarsträhnen gar nicht zu reden. Mit jedem Schlag des Bugs auf die Wellen bestätigte ihr Magen, dass er nicht für solche Unternehmungen taugte. An eine Unterhaltung war während voller Fahrt nicht zu denken, also konzentrierte sie sich darauf, die aufkeimende Übelkeit unter Kontrolle zu halten. Sie war so intensiv damit beschäftigt, die Horizontlinie zu beobachten, dass sie gar nicht bemerkte, wie schnell der Himmel sich aufhellte. Aus der feinen orangen Linie, die das dunkle Wasser von der Wolkendecke trennte, wurde ein gelbes Band. Erst als der gleißend weiße Ball der aufgehenden Sonne sie blendete, vergaß sie für einen Moment ihren Magen und tauchte mit allen Sinnen ins grandiose Naturschauspiel ein.
    »Sie sollten etwas Trockenes anziehen«, sagte Tom. Er hatte den Motor ausgeschaltet. Der Kutter lag still schaukelnd in der Mündung einer Bucht, und dieses stetige, sanfte Wiegen war schlimmer als das harte Reiten auf den Wellen während der Fahrt. An die Reling geklammert, den Blick starr auf den Horizont gerichtet, antwortete sie gekränkt:
    »Sie machen wohl gern Witze auf Kosten anderer Leute, wie?«
    Er schüttelte lächelnd den Kopf. »Da liegen Sie falsch. Ich meine es ernst mit dem Umziehen.« Er zeigte auf die Kajüte. »Da drinnen finden Sie Hemd und Hose. Suchen Sie, was Ihnen passt, und ziehen Sie eine der Jacken über. Ich werfe inzwischen die Netze aus.« Ohne auf ihre Antwort zu warten, wandte er sich ab und machte sich an der Mechanik des Netzauslegers zu schaffen.
    Der gute Tom , ging ihr durch den Kopf, als sie tropfnass und mit weichen Knien die Kajüte betrat. Sie blieb abrupt stehen. Dies war nicht der schäbige Unterstand, den sie erwartet hatte. Sie stand in einem gemütlichen und sorgfältig aufgeräumten Wohnzimmer, das an einem Ende an eine Kochnische grenzte, am andern in eine Schlafkoje mündete. Für einen Augenblick kam es ihr vor, als hätte sie die Kulisse draußen durch die Hintertür verlassen, um in die wohnliche Zivilisation zurückzukehren. Für einen kurzen Augenblick nur, denn ihr Magen ertrug hier drinnen das sanfte Schaukeln noch schlechter. Nur mit Mühe widerstand sie dem Drang, sich auf der Stelle zu übergeben. Im ordentlich sortierten Schrank fand sie Hose und Hemd sofort. Sie beeilte sich, den ruinierten gelben Fetzen abzustreifen, schlüpfte in Toms trockene Kleider und fühlte sich kein bisschen besser. Sie riss die Jacke vom Haken neben der Tür und stürzte aus der Kajüte an die Reling. Ihr Magen machte sich selbständig. Alles, was sie gegessen und noch mehr, was sie nicht gegessen hatte, drängte in einer gewaltigen Explosion hinaus. Sie würgte, prustete und hustete. Die scharfe Magensäure stieg ihr in die Nase, trieb ihr Tränen in die Augen. Sie fühlte sich so elend wie schon lange nicht mehr. Schmutzig kam sie sich vor, erniedrigt, und als Tom ihr ein Bündel Taschentücher vor die Nase hielt, wollte sie vor Scham im Boden versinken.
    »Ich will Sie nicht von der Arbeit abhalten«, knurrte sie angriffig, als sie wieder ruhiger atmete.
    Er lachte. »Tun Sie nicht. Die Netze sind draußen, jetzt müssen wir nur noch warten.«
    »Gute Gelegenheit, mir vom Colonel zu erzählen.«
    Er musterte sie prüfend und

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