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Natürliche Selektion (German Edition)

Natürliche Selektion (German Edition)

Titel: Natürliche Selektion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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liegenblieb.
    Dahinter stand Edmond mit einem Stein in der erhobenen Faust. »Euch zwei kann man aber auch nie allein lassen«, grinste er, und seine schönen, weißen Zähne leuchteten in der Dunkelheit.
    Audrey schoss ein Schwall heißes Blut in den Kopf. Sie konnte nicht anders, sprang auf ihn zu und fiel in seine Arme. »Kindskopf! «, schalt sie flüsternd. »Musst du einen derart erschrecken?« Sie löste sich schnell wieder aus der Umarmung und schaute ihm streng in die Augen. »Woher weißt du, dass wir hier sind?«
    »Von dir. Du konntest ja gestern Abend deinen Mund nicht halten, zum Glück, wie ich sehe. Nachdem du das Telefon nicht mehr abgenommen hast, musste ich einfach herkommen. Ich habe bei eurem Wagen gewartet.«
    Leo kniete neben dem Bewusstlosen, fühlte seinen Puls. »Wenn ihr zwei Turteltäubchen bereit seid, sollten wir verschwinden«, bemerkte sie trocken und stand auf. Der Riese war nicht ernsthaft verletzt.
    Blaulicht blitzte auf in der Ferne. Der tiefe Zweiklang der Feuerwehrsirenen näherte sich, als sie auf der Rue Saint-André am Kloster vorbeibrausten. Das aufgeregt blinkende Durcheinander in Audreys Rückspiegel löste sich bald im Dunkel der Nacht auf. Der böse Traum war zu Ende, wenigstens vorläufig. »Das hätte leicht ins Auge gehen können«, seufzte sie erleichtert. Leo saß schweigend neben ihr. »Alles O. K. mit dir?«, fragte sie mit einem Seitenblick. Sie hätte beinahe das Steuer herumgerissen, so schockierte sie das Stück Eisen auf Leos Knien. »Die Pistole des Gorillas! Hast du jetzt völlig den Verstand verloren?«, schrie sie sie an.
    Ihre Mutter blieb die Ruhe selbst und antwortete lächelnd: »Vielleicht dieselbe, mit der mein Informant erschossen wurde.«
    »Das glaubst du selbst nicht.«
    »Wer weiß. Jedenfalls hilft sie euch sicher, mehr über die Organisation des Colonels herauszufinden.«
    »Ist ja rührend, wie du meine Arbeit machst, aber überlass sie in Zukunft gefälligst mir.« Auf Leos Schoß lag ein weiteres Problem, auf das sie liebend gern verzichtet hätte. Andererseits, dachte sie, konnte ein zusätzlicher Hinweis nie schaden. Warum war sie nicht selbst auf den Gedanken gekommen?
Interpol, Lyon
    Rote Flecke verhaltener Wut zeichneten sich auf der blassen Haut des Capitaine Delcour ab. Das Rot leuchtete, als stünde sein Gesicht in Flammen. »Ist es nun die Waffe?«, fragte er lauernd, ohne den Blick von der Akte auf seinem Schreibtisch abzuwenden. Audrey kannte ihn lange genug, um nicht gleich in Panik zu geraten. Sie antwortete gefasst, schnell und präzis, wie er es von jedermann erwartete, außer von sich selbst:
    »Es ist nicht die Tatwaffe vom Mord im Quartier Latin. Kein Treffer bei den Fingerabdrücken. Aber es ist die gleiche Beretta 9mm und die gleiche, sonst nur der Armee zugängliche Spezialmunition. Das Kommissariat in Paris verfolgt bereits die Spur dieser Patronen.«
    »Wir müssen den Hersteller ausquetschen.« Noch immer blickte er nicht auf.
    »Ist geschehen. Alle legalen Käufe der letzten fünf Jahre liegen Paris vor. Das wird sie eine Weile beschäftigen. Und unsere V-Leute sperren bereits die Ohren auf. Vielleicht ist die Munition unter dem Ladentisch gekauft worden, was ich allerdings bezweifle.«
    Diesmal klappte er die Akte zu und fixierte sie nachdenklich mit stechendem Blick. Die bedrohlichen roten Flecke machten allmählich wieder der gewohnten Blässe Platz. Schließlich sagte er ohne den geringsten Spott in der Stimme: »Da habt ihr beide ja noch mal richtig Glück gehabt.«
    Glück ist gar kein Ausdruck , schoss es Audrey durch den Kopf. Dass sie weiterhin ihren Dienst versehen durfte, verdankte sie wohl in erster Linie ihrem ehrlichen, lückenlosen Bericht über die Ereignisse in Chartres. Ehrlich und lückenlos zumindest soweit sie es verantworten konnte. Die Episode mit dem Brecheisen brauchte niemand zu erfahren, ebenso die Tatsache, dass nicht sie, sondern ihre Mutter die Beretta mitlaufen ließ.
    Der Capitaine schlug mit der flachen Hand auf die Akte und murrte: »Sonst war euer Fischzug in Chartres nicht sehr erfolgreich, wie ich sehe. Wir wissen immer noch nicht, wer dieser verdammte Colonel wirklich ist.«
    »Stimmt, aber bei der Auswertung der Aufzeichnungen haben wir eine Reihe von Leuten identifiziert, die ihn kennen. Wir könnten also jederzeit zuschlagen, um die zu vernehmen.«
    »Und warum tun wir das nicht?«
    »Weil die zuständigen Pariser Kollegen nicht bereit sind, mit diesen hochkarätigen

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