Natürliche Selektion (German Edition)
Überfliegern zu reden. Der Colonel und die Ereignisse in der Schweiz und auf Puerto Rico interessiert sie nicht. Wie üblich schiebt jeder die Verantwortung zum nächsten weiter. «
»Vielleicht ist er auch nur ein Spinner.«
»Auf keinen Fall, Chef. Früher oder später werden auch die Freunde vom Quai des Orfèvres einsehen, dass ihr Mord ein Auftragsmord des Colonel war. Da bin ich mir sicher. Hinter den verrückten Plänen dieses Mannes steckt enorm viel Geld. Er geht über Leichen, das wissen wir. Auf sein Konto gehen mindestens die vier toten Wissenschaftler, die Beinahe-Kernschmelze von Tricastin und die sechs Soldaten auf Puerto Rico. Dafür gibt es Beweise und Zeugen. Es gibt keinen Zweifel, dass es sich dabei um eine Art Kollateralschäden handelt, die der Colonel skrupellos in Kauf nimmt, um sein Ziel zu erreichen. Nun wird die dritte Generation Superhirne auf die Menschheit losgelassen. Weiß der Himmel, was er damit wieder anrichtet. Wir müssen diesen Mann stoppen.« Sie hatte sich in Rage geredet, nicht zuletzt aus Verdruss über die mangelnde Kooperation der Behörden.
Ihr Eifer entlockte dem griesgrämigen Capitaine ein leichtes Schmunzeln, doch es verschwand sogleich wieder, als er nüchtern fragte: »Was schlägst du vor?«
Sie überlegte nicht lange. Bei der Analyse ihrer Aufnahmen von Saint-André war ihr mit einem Mal klar geworden, wo sie ansetzen mussten. »Der Schlüssel liegt in Puerto Rico, bei RDC«, antwortete sie. »Dort hat es begonnen und dort geht’s munter weiter. Die Aufnahmen aus dem Kloster zeigen, dass die neue Droge bei RDC hergestellt wird. Diese Ruth Seiler, die uns durch die Fabrik geführt hat, war übrigens auch am Treffen. Damit haben wir sie in der Hand. Herstellung illegaler Drogen, ein schöner Vorwand, um die Bude in Humacao auf den Kopf zu stellen.«
Der Capitaine gab ihr die Akte wortlos zurück und nickte. Sie war entlassen, und sie hatte seinen Segen für den nächsten Akt.
KAPITEL 12
San Juan, Puerto Rico
C omandante Rodriguez musste ein ausgesprochen vielbeschäftigter Mann sein. Audrey langweilte sich nun seit einer halben Stunde auf dem Besuchersessel in seinem Büro und kam sich vor, als warte sie in einem Antebellum-Salon Louisianas auf die Rückkehr des gnädigen Herrn. Der Polizeichef von San Juan ließ sie spüren, dass dies sein Königreich war. Ihr Auftrag würde kein Sonntagsausflug, das wusste sie vom letzten Besuch, und sie hatte sich entsprechend vorbereitet. Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, ärgerte sie sich gewaltig über den Dünkel des Comandante.
Endlich flog die Tür auf, Rodriguez stürmte atemlos herein und ließ sich erschöpft in seinen Sessel fallen wie der Feldherr nach geschlagener Schlacht. Seine Rechte hielt ein Bündel Papiere umklammert. Damit wedelte er ihr vor dem Gesicht herum und fragte mit schlecht gespielter Verzweiflung: »Großer Gott, Wie stellen Sie sich das vor?«
Sie bemühte sich um eine freundliche Miene, erhob sich und streckte ihm die Hand zur Begrüßung entgegen. »Guten Tag Comandante Rodriguez.« Widerwillig ließ er die Papiere fahren, schlug ein und erwiderte den Gruß, ohne ein Wort zu sagen. Sie setzte sich wieder, dann zeigte sie auf die Seiten mit dem deutlich sichtbaren Logo von Interpol. »Wie ich sehe, haben Sie sich schon eingelesen«, lächelte sie etwas zweideutig.
»Eine Razzia bei RDC, wie stellen Sie sich das vor? Eine der renommiertesten Firmen auf der Insel. Wonach suchen Sie dort eigentlich?«
Alles stand im Fax auf seinem Schreibtisch. Er hatte es zweifellos gelesen, aber sie erklärte es ihm gerne noch einmal: »Wir haben Beweise, dass eine illegale Droge unter der Bezeichnung Alpha-III von RDC hergestellt und in Frankreich, den USA und einer Reihe anderer Länder vertrieben wird. Die Details stehen im Fax. Zudem gibt es Beweise, dass RDC schon früher ein nicht zugelassenes Psychopharmakon produziert hat. Diese Droge hat im Laufe der vergangenen neun Monate den Tod von vier jungen Wissenschaftlern in Frankreich verursacht. Wie Sie übrigens den Unterlagen entnehmen können, hat Ihr zuständiger Staatsanwalt bereits sein Einverständnis für die Durchsuchung zugesichert.«
»Daher komme ich gerade«, brummte er missmutig. »Ich habe ihm klipp und klar gesagt, was ich von dieser Aktion halte.«
Deine Meinung interessiert allerdings niemanden , hätte sie am liebsten entgegnet, stattdessen stellte sie nüchtern fest: »Dann wäre das also geklärt.« Sie ignorierte
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