Naturgeschichte(n)
an. Es erreicht dann etwa 400 Kubikzentimeter Gehirnmasse. Das ist weniger als ein Drittel der Gehirngröße des Menschen. Schimpansen sind clever, zweifellos. Aber sie sind und bleiben weit entfernt vom Denken und der Gehirnleistung des Menschen.
Das Gehirn macht unser Menschsein aus. Schon bei der Geburt ist es fast doppelt so groß wie bei den Menschenaffen, danach wächst es noch bis um das Fünffache. Und das Entscheidende: Die Größenzunahme nach der Geburt betrifft nur die Füllmasse des Gehirns, nicht aber seine Nervenzellen. Ihre Zahl nimmt nach der Geburt nicht mehr oder allenfalls geringfügig zu. Das Gehirn muss offenbar fertig aufgebaut sein, nur dann kann es sich nach der Geburt gut strukturieren. Deshalb entscheidet schon der Zustand des Gehirns vor der Geburt, wie es sich danach entwickeln und was es leisten kann. So geht es in seiner Ausbildung im Mutterleib bis an die Grenzen des Möglichen. Weil sich hinterher die Menschen mit den besten Gehirnen langfristig durchsetzen. Auch wenn wir mitunter einen anderen Eindruck haben mögen: Intelligenz bahnte den Weg zum Menschen, nicht kleine Gehirne und große Muskeln.
Nun hätte ja ein weniger enger Knochenring als Geburtskanal das Problem sehr schnell lösen können, oder? Knochenfunde weisen darauf hin, dass die Frauen der Neandertaler offenbar ein breiteres Becken hatten, aber sie sind ausgestorben. Und das, obwohl sie im Durchschnitt sogar ein etwas größeres Gehirn als wir Menschen hatten. Es ging also auch bei ihnen an die Grenze des Möglichen. Die schwere Geburt beim Menschen hängt mit unserer aufrechten Körperhaltung und der Fortbewegung auf zwei Beinen zusammen. Beim Gehen drücken nicht nur die inneren Organe, vor allem die Därme, sondern bei Schwangerschaften auch das Kind in der Gebärmutter auf den Beckenboden. Wäre diese weiche Öffnung als eine Art » Schwachstelle« zu groß, würde der Darm herausquellen; ein solcher Darmvorfall ist eine höchst gefährliche Angelegenheit. Der Beckenring muss daher den Anforderungen unseres Körperbaus und der damit verbundenen Fortbewegungsweise entsprechen und mit den Bedürfnissen bei der Geburt in Einklang gebracht werden. Der Spielraum wird zudem dadurch eingeengt, dass die Größe des Beckenrings für beide Geschlechter passen muss. Es kann keine männliche oder weibliche Geburt geben, sondern es werden Knaben und Mädchen geboren, deren nachgeburtliche Weiterentwicklung unter dem Einfluss von Geschlechtshormonen einen gewissen Spielraum ermöglicht. Viel ist das nicht, gerade genug, dass sich später ein weibliches Becken von einem männlichen unterscheiden lässt.
Der mütterliche Geburtskanal bildet daher einen Engpass, der nur wenig Variation zulässt. Der Kompromiss, der sich im Verlauf vieler Tausende von Jahren und Geburten entwickelte, berücksichtigt die Notwendigkeiten der Fortbewegung und die Anforderungen der Geburt zugleich. Im Ganzen hat sich also durchaus eine Optimierung ergeben. Frauen mit sehr weitem Becken, die sich bei der Geburt vergleichsweise leicht tun, würden wohl buchstäblich auf der Strecke bleiben, müssten sie, wie das fast die gesamte Existenz des Menschen hindurch der Fall war, nomadisch herumwandern.
Es ist schwer für das Baby, den Eintritt in die Welt zu schaffen –
und sehr schmerzhaft für die Mutter.
Wir schleppen diese schwere Geburt gleichsam als uralte Erblast aus ferner Vergangenheit mit uns mit, weil sich kein anderer Weg für die Geburt vorbei am Knochenring des Beckens ergeben hat – bis zur Erfindung des Kaiserschnitts! Er wäre die bessere Lösung, hätte die Evolution von dieser Erfindung des modernen Menschen rechtzeitig » gewusst«! Denn dann hätte sie den Geburtsschmerz nicht so eng mit den Hormonen verknüpft, die für das Einschießen der Milch und ihre anhaltende Produktion im Mutterkörper verantwortlich sind. Und auch die Glückshormone nach gelungener Geburt sind als Belohnung für die ausgestandenen Qualen auf das Engste mit dem Geburtsschmerz verbunden. Also wird es noch dauern, bis auch der medizinisch bessere Weg optimiert ist.
Der Mensch aus Peking
Liegt der Ursprung aller Menschen tatsächlich in Afrika?
» Eva kam aus Afrika.« » Wir alle sind Afrikaner.« Oder: » Die Geschichte des Menschen muss umgeschrieben werden.« Solche und ähnliche Schlagzeilen klangen in den 1980 er und 1990 er Jahren ganz so, als sei nun alles klar hinsichtlich der Entstehungsgeschichte des Menschen. Nicht in Europa entstand der Homo
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