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Naturgeschichte(n)

Naturgeschichte(n)

Titel: Naturgeschichte(n) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H Reichholf
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interessanten Fragen mehr gäbe.

Das Schneehuhn und der Zobel
    Warum wechseln Tiere Fell und Gefieder – und warum wird man im Winter dick?

    Die Frage nach dem Ursprung der Federn hat uns gezeigt, dass auch scheinbar einfache Fragen nicht ganz leicht zu beantworten sind. Ähnlich verhält es sich mit der nächsten Frage: Wie machen es die Säugetiere, im Winter ein dichteres und im Sommer ein dünneres Fell zu bekommen? Und ebenso manche Vögel mit ihrem Gefiederwechsel? Auch dieses Rätsel ist gar nicht so leicht zu lösen, selbst wenn der Zusammenhang klar ist: Natürlich brauchen Säugetiere, die Winterkälte überleben müssen, ein dichteres Fell als im Sommer, wenn der Winterpelz in der Hitze kaum zu ertragen wäre. Wir richten uns mit unserer Bekleidung ja auch danach, welche Temperaturen herrschen.
    Wer ein Fell trägt, kann sich aber nicht einfach umziehen. Das Gleiche gilt fürs Gefieder. Ein weiß gefiedertes Schneehuhn passt zum Schnee im Winter, nicht aber in die braune und grüne Sommerlandschaft. Das sommerliche Tarnkleid würde hingegen im Winter weithin auffallen. Wie aber kann das Reh wissen, dass es Zeit ist, das Winterfell wachsen zu lassen, wenn im Herbst noch sommerlich warmes Wetter herrscht, und das Schneehuhn im Frühjahr, dass die Schneeschmelze bevorsteht?
    Die Antwort können die Biologen mittlerweile wissenschaftlich recht gut gesichert geben: Die Tiere nutzen die Veränderung der Tageslänge als untrügliches Zeichen für den Wechsel der Jahreszeiten und nicht das notorisch unzuverlässige Wetter. Werden die Tage kürzer und sinken sie nach der herbstlichen Tag-und-Nacht-Gleiche unter die Dauer von zwölf Stunden, naht unweigerlich der Winter, mag es auch einen noch so schönen Altweibersommer geben. Umgekehrt signalisiert die zunehmende Tageslänge im Frühjahr die Ankunft des Sommers, gleichgültig ob noch Schnee liegt und frostige Temperaturen herrschen oder der Vorfrühling bereits im Februar auf das Winterende hoffen lässt.
    Aber nun sind Tiere nicht mit der Uhr unterwegs, um die Tageslänge zu messen. Und auch Pflanzen reagieren auf den Jahresgang der Helligkeit; sogar unter der Erde. Wie ist das möglich?
    An diesem Punkt fangen die Schwierigkeiten mit den einfachen Erklärungen an, weil die Feststellung, dass die Lebewesen über » innere Uhren« verfügen, sogleich die Nachfrage auslöst, wo diese Uhren denn sitzen und wie sie ticken. Daran wird seit Jahrzehnten intensiv geforscht. Um Uhren in unserem Sinne handelt es sich nicht, sondern um chemische, molekulare Vorgänge, die im Rhythmus der Jahreszeiten ablaufen. In diese Feinheiten möchte ich mich nun tatsächlich nicht hineinvertiefen. Da zerbrechen sich hochgradig spezialisierte Wissenschaftler die Köpfe.
    Die Wirkungen dieser inneren oder molekularen Uhren sind interessant genug. Sie besagen nämlich nicht einfach: Jetzt ist Zeit für das Winterfell oder: Nun müssen weiße Federn wachsen und die erdbraun gemusterten abgeworfen werden. Vielmehr steuern sie innere Vorgänge im Stoffwechsel. Auch diese muss ich nun vereinfachen, um nicht in Details zu versinken. So bewirkt die abnehmende Tageslänge über die innere Uhr eine Verschiebung im Stoffwechsel. Fett wird in den Depots unter der Haut abgelagert. Es stellt die Reserve für den Winter dar. Säugetiere wie die Siebenschläfer oder die Murmeltiere, die einen richtigen, viele Monate andauernden Winterschlaf halten, werden nun sehr fett. Ihr Körpergewicht kann sich durchaus verdoppeln. Den Winter über verbrennen sie diese Fettvorräte ganz langsam, gleichsam auf Sparflamme, und halten damit den in Tiefschlaf versunkenen Körper gerade warm genug, dass sie nicht erfrieren.
    Die meisten anderen Säugetiere bleiben aber im Winter aktiv. Das Fett bildet nicht nur die Lebensversicherung für Tage oder Wochen ohne Nahrung, sondern auch einen sehr guten Schutz gegen die Kälte. Als » Nebenprodukt« der Fettspeicherung fällt Eiweiß an. Was davon nicht direkt für die Ernährung benötigt wird, verstärkt nun das Wachstum der Haare. Das Fell wird dichter, weil mehr Haare gebildet werden und vorhandene stärker wachsen. Dichteres Fell verbessert den Wärmeschutz und vermindert damit den vorzeitigen Verbrauch der Fettreserven.
    Wir spüren diesen Vorgang durchaus noch in unserem eigenen Körper, wenn wir im Herbst dazu neigen zuzunehmen, also mehr Fett einzulagern, und dabei träger werden. Manche, insbesondere Frauen, neigen dann zur Herbstdepression. Denn mit der

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