Navy Seals Team 6
packte meinen Koffer, ging zur Tür hinaus und suchte eine Telefonzelle. Ich rief Laura an und sie holte mich ab.
Lauras Familie war ganz anders als meine. Kinder und Eltern sprachen miteinander . Sie unterhielten sich richtig und außerdem waren die Eltern nett zu ihren Kindern. Lauras Vater wünschte ihnen sogar einen guten Morgen. Das haute mich um. Sie waren liebevoll und herzlich. Ich liebte Lauras Familie ebenso sehr wie Laura.
Ich durfte bei ihren Eltern wohnen, bis ich einen Job auf dem Bau und eine kleine Wohnung gefunden hatte. Wenige Monate, nachdem ich von zu Hause ausgezogen war, heirateten Laura und ich in ihrer Kirche – am 16. April 1983. Meine Eltern kamen nur ungern zu unserer kleinen Feier. In unserer kleinen Stadt hätte es ein schlechtes Licht auf sie geworfen, wenn sie nicht gekommen wären. Nach dem Jawort gab mir mein Vater einen 100-Dollar-Schein und schüttelte mir die Hand, doch er sagte dabei nichts – weder »Herzlichen Glückwunsch« noch »Scher dich zum Teufel«. Natürlich blieben meine Eltern nicht zum Essen.
Zungenküsse und Sex fielen mir leicht. Weitaus schwieriger war es, Laura zu sagen, dass ich sie liebte, oder ihre Hand zu halten. Ich war entweder voll da oder gar nicht – etwas dazwischen gab es nicht. Mir fehlte ein Vorbild für einen guten Ehemann und Vater. Dad legte nie den Arm um meine Mutter oder hielt ihre Hand. Vielleicht machte er es, wenn ich nicht dabei war, jedenfalls habe ich es nie gesehen. Sie unterhielten sich nur über die Arbeit oder uns Kinder.
Am 6. November 1983 kam ich im Ausbildungslager der Marine in Orlando/Florida an. Zwei Tage später trugen wir alle Bürstenschnitte und rochen wie Denim. Beim Lichtlöschen sagte ich zu dem Typen im Stockbett unter mir: »Ich habe heute Geburtstag.«
»Okay, alles Gute.« Es war ihm scheißegal. Allen war es scheißegal. Das holte mich auf den Boden der Tatsachen zurück.
Ich wunderte mich darüber, wie sehr es den Rekruten an Disziplin und Respekt fehlte. Viele von ihnen bekamen Probleme, weil sie vergaßen »Ja, Sir« oder »Nein, Sir« zu sagen. Mir wurde immer eingetrichtert, nur ja nicht die guten Manieren zu vergessen und alles ganz genau zu erledigen. Die Typen, die Strafdienst machen mussten – Liegestütze, Betten abziehen, den Fußboden wachsen –, sahen wie Idioten aus. Was ist denn daran so kompliziert: dein Bett zu machen und deine Unterwäsche zu falten? Ich hatte das von klein auf gelernt.
Ich freundete mich mit dem Kompaniechef an, denn er hatte einst den Job im Such- und Rettungsdienst gehabt, den auch ich wollte: als fliegendes Personal. Er übertrug mir das Kommando über die halbe Kaserne. Nach fast vier Wochen Ausbildungslager hatte ein Viertel der Rekruten immer noch Probleme, sich einzugewöhnen. Ich verstand einfach nicht, warum.
Wer in echte Schwierigkeiten geriet, musste ins Intensivtraining (IT). Ich bat meinen Kompaniechef: »Ich möchte auch ins IT, damit ich beim Test für den Such- und Rettungsdienst gut in Form bin.« Ich kann mich nicht mehr an die damaligen Anforderungen erinnern, doch heute müssen die Kandidaten 455 Meter in 13 Minuten schwimmen, zweieinhalb Kilometer in 12,5 Sekunden laufen und 35 Liegestütze in zwei Minuten machen. Außerdem müssen sie 50 Sit-ups sowie zwei Klimmzüge, ebenfalls in zwei Minuten, schaffen. Ich war nur aus einem Grund in die Marine eingetreten: weil ich zum Such- und Rettungsdienst wollte. Deshalb durfte ich auf keinen Fall durchfallen.
Mein Kompaniechef sah mich an, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. »Wasdin, weißt du überhaupt, was sie im IT machen?«
»Die Typen, die in Schwierigkeiten geraten sind, haben mir gesagt, dass sie viel Sport machen.«
Er lachte.
Nach dem Abendessen kam ich beim IT an und fand heraus, warum er so gelacht hatte. Ich riss mir beim IT den Arsch auf. Wir machten Liegestütze, Sit-ups, Übungen, bei denen wir ein Gewehr über dem Kopf halten mussten, und noch viel mehr. Ich blickte nach links und rechts – die Männer neben mir weinten. Ja, das ist hart, aber warum weint ihr? Ich hatte schon Schlimmeres erlebt. Der Boden der Sporthalle war von Schweiß und Tränen bedeckt. Ich schwitzte auch, aber ich weinte nicht. Die Leiter des IT wussten nicht, dass ich freiwillig da war. Nachdem ich fast jeden Abend, sieben-, acht- oder neunmal in Folge, für eine Stunde dort aufgetaucht war, wollten sie mich von meinen bösen Angewohnheiten befreien. Ich habe sie nie aufgeklärt. Als ich das
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