Navy SEALS - Tyler, S: Navy SEALS
abergläubischer Brauch unter Scharfschützen war oder eine Eigenheit von Chris, aber sie fragte ihn nicht weiter danach. Ihre eigene Hand lag auf ihrem rechten Oberschenkel, über den verheilten Wunden. Das tat sie oft, sie berührte sie, als wären sie eine Art seltsamer Talisman. Eine Erinnerung daran, wo sie gewesen war und wo sie hinging – was sie tun musste, um zu überleben. Nein, Aberglaube war ihr nicht fremd.
Es war noch viel Zeit bis zur Landung, und schon jetzt fühlte sie sich vom tatenlosen Herumsitzen bleiern müde. Die vergangenen Tage hatten ihren emotionellen Tribut gefordert und sie war ein totales Nervenbündel. Über Gebühr strapaziert. Und im Begriff, sich in die größten Schwierigkeiten ihres Lebens zu stürzen.
Diese Sache konnte sie ihren Job kosten, aber zum ersten Mal war ihr das egal. Chris’ Berührung hatte ihr zumindest den Kopf geklärt. »Gilt Ihr Hilfsangebot noch?«
»Ja.« Chris kniete vor ihr, seine Hände lagen auf ihren. »Du und ich, Jamie und Chris. Scheiß auf die ganzen Titel und das Gesieze.«
»Aber ich weiß doch gar nichts von dir.«
»Du weißt, dass mein Bruder in Schwierigkeiten steckt.«
Ja, das wusste sie.
Und indem sie ihn in die Sache einweihte, brach sie alle Regeln und brachte sein Leben in Gefahr. »Ich muss wissen, wie weit du zu gehen bereit bist.«
»Für meine Familie? Bis ans Ende, Jamie.«
Sie nickte, das hatte sie erwartet, aber sie hatte es aus seinem Mund hören müssen. »Ich suche nach einer Gruppe namens GOST . Sie wurde von ein paar hochrangigen Regierungsleuten ins Leben gerufen, Senatoren und Kongressabgeordnete, deren Namen allerdings nie bekannt wurden. FBI und CIA haben dabei Pate gestanden. Für eine Weile hatte GOST durchaus eine Existenzberechtigung.« Sie blickte zur Cockpittür. »Die Gruppe wurde gegründet, um Exekutiv-Order 11905 zu umgehen.«
»Das Attentatsverbot«, sagte Chris langsam. »›Kein Angehöriger oder Mitarbeiter der Regierung der Vereinigten Staaten darf an einem politischen Attentat oder an Plänen zu einem solchen beteiligt sein.‹«
»Genau. Es war ein Versuch«, fuhr Jamie leise fort. »Eine Gruppe von supergeheimen und bestens ausgebildeten Männern und Frauen, die all die Aufträge übernommen haben, von denen niemand etwas wissen, die aber jeder erledigt sehen will. Die Drecksarbeit eben. Die Art von Arbeit, die für die Sicherheit der Wirtschaft und unserer Welt sorgt. Aber die Sache ging schief.«
»Das kann ich mir vorstellen. Wie wurden diese Leute rekrutiert?«
»Die meisten holte man sich aus dem Militär – zu dem sie aus dem Zeugenschutzprogramm kamen. GOST drohte ihnen – mit dem Verlust ihrer eigenen Sicherheit.«
»Das würde nicht reichen, um mich zu so einem Job zu zwingen.« Chris’ Stimme klang tief und fest, regelrecht ruhig, aber sein Körper vibrierte immer noch unter jener unsichtbaren Energie, jetzt sogar noch heftiger als zuvor.
»Das hat auch nicht gereicht«, pflichtete sie ihm bei. »Darum hat sich die CIA etwas anderes einfallen lassen, um die Leute bei der Stange zu halten. Man bedrohte ihre Nächsten.«
»Natürlich. Diese Schweine.«
»Chris, wenn irgendjemand erfährt, dass ich dir das alles erzähle … «
»Es wird niemand erfahren«, unterbrach er sie. »Woher weißt du eigentlich davon? Gehörst du zu dem Team, das GOST gegründet hat?«
»Nein, damit hatte ich nichts zu tun. Ich hatte seit Jahren Gerüchte darüber gehört, und als ich angefangen habe, nachzuforschen, bin ich auf Dinge gestoßen, die ich lieber nicht gewusst hätte. Und du hast recht, diese ganze Ermittlung ist inoffiziell.«
»Wie zum Teufel bist du in die Sache hineingeraten?«
Ihre Stimme war rau, als sie weitersprach, als unterdrücke sie Tränen. »Ich habe Grund zu der Annahme, dass sie meine Schwester rekrutiert haben.«
Er ergriff ihre Hand und fluchte leise.
Es gefiel ihr, dass Chris ihre Hand hielt. »Sophie war Pilotin in der Air Force. Es gab einen Unfall, einen Absturz, und danach war sie nicht mehr sie selbst. Die Air Force sprach sie von jeder Schuld frei, aber sie reichte trotzdem ihren Abschied ein. Und dann wurde sie von der CIA angesprochen. Sie sagte, das sei ihre zweite Chance.«
»Wie lange hast du nichts mehr von ihr gehört?«
»Sie ist seit fast neun Monaten verschwunden. Bei der CIA hieß es, sie sei nicht mehr zur Ausbildung gekommen. Niemand schien zu wissen, wo sie war, und niemand konnte mir helfen. Niemand wollte mir helfen. Es hieß, sie sei eine
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