Nayidenmond (German Edition)
Angst verflüchtigte sich, als er sich bewegen musste; fort von dem Schrecken, den diese Männer für ihn bedeuteten.
„Hoch!“
Iyen zerrte ihn auf die Beine. Rouven hatte sich so darauf konzentriert, keinen Laut zu verursachen, dass er nicht bemerkt hatte, wie sie bereits den Waldrand erreicht hatten. Er wurde am Handgelenk gepackt und mitgezogen.
Etwas zischte an seinem Kopf vorbei und prallte hörbar gegen einen Baumstamm. Iyen schleuderte ihn nach vorne, Rouven stürzte zu Boden. Dort rollte er sich ab und kroch rasch tiefer in den Schutz der Dunkelheit hinein, die der Wald ihm bot. Er hörte einen unterdrückten Schrei. War das Iyen? Einer der Angreifer? Sein Herz pochte so laut, dass Rouven fürchtete, man könnte es bis nach Vagan hören, es brauchte seine ganze Kraft, seinen Atem und das Zittern seiner Glieder zu kontrollieren.
Plötzlich war Iyen wieder bei ihm und zerrte ihn hoch.
„Einer weniger!“, flüsterte er hasserfüllt. „Lauf voraus, und bleib nicht stehen, egal was geschieht!“
Es schienen Stunden, die sie durch dichtes Unterholz rannten, über Wurzeln und Geäst, durch weglose Tannendickichte, in lichte Buchenwälder, in denen sie rascher vorankamen, bis Rouven kaum noch die Kraft hatte, sich aufrecht zu halten und mehr taumelte als lief. Von ihren Verfolgern konnte er nichts hören oder sehen, aber der bloße Gedanke an den Wurfdolch, der aus dem Nichts gekommen und ihn um einen Fingerbreit verfehlt hatte, trieb ihn voran. Endlich griff Iyen von hinten nach ihm und presste ihn gegen einen Baumstamm. Während Rouven keuchte und beinahe zusammenklappte, in Schweiß gebadet und zitternd, jeder Atemzug in der Brust brennend, wirkte der Oshanta im fahlen Mondlicht beinahe, als hätte er lediglich einen Dauerlauf über ein paar Anhöhen hinter sich.
„Sie sind nah, beherrsch dich!“, fauchte er unduldsam. Rouven verdrehte die Augen und ließ sich zu Boden fallen, bevor er das Bewusstsein verlieren konnte.
„Kann nicht mehr!“, stöhnte er verhalten. Ihm war so elend zumute, dass es ihm im Augenblick egal gewesen wäre, wenn Jarne und Bero plötzlich neben ihnen auftauchen würden. Er legte die Arme über das Gesicht und konzentrierte sich darauf, genügend Luft in seine Lungen zu pumpen.
Iyen spürte Rouven zu seinen Füßen zittern, vollständig verausgabt und am Ende seiner Kraft. Er wusste, es war nicht Rouvens Schuld, im Gegenteil, der junge Mann hatte viel länger durchgehalten und war deutlich schneller gewesen, als er es ihm zugetraut hätte. Trotzdem, sie konnten unmöglich hierbleiben. Auch wenn er seine ehemaligen Kampfgefährten im Moment nicht hörte, sie möglicherweise sogar abgehängt hatte, spätestens bei Tagesanbruch würden sie die Spur wieder aufnehmen und sie weiter verfolgen können. Die Oshanta hatten gewiss Pferde dabei, andernfalls hätten sie keine Möglichkeit, Rouven rechtzeitig zum Nasha-Tal zu bringen, sollte er ihnen in die Hände fallen. Das würde sie zwar etwas aufhalten, wenn Iyen durch dichtes Unterholz kroch, gerade dort aber wäre ihre Fährte selbst für einen Blinden zu sehen. Er wusste nicht, wen er eben mit seinen Wurfdolchen erwischt hatte, die er in die Nacht geworfen hatte, es hatte allerdings nicht nach Bero oder Jarne geklungen, er war sich lediglich sicher, dass derjenige zu schwer verletzt war, um noch eine Gefahr zu sein. Es war ungewiss, wie viele übrig waren. Durchaus möglich, dass zwei Gruppen zusammenarbeiteten, nur um sicher zu sein; dann würde man sie einzukreisen versuchen.
Er atmete tief ein und aus und zwang sich zur Ruhe, als er neben Rouven niederkniete. Mittlerweile schnaufte der junge Mann nicht mehr, sondern lag still, was Iyen dazu trieb, besorgt nach ihm zu greifen, um seinen Herzschlag zu kontrollieren, ob er etwa in Ohnmacht gefallen war. Doch Rouven bewegte sich äußerst wach und wich bei der Berührung zurück; offenbar hatte Iyen die Kraft und Ausdauer des Prinzen unterschätzt.
„Du kennst dich hier weit besser aus als ich, das Umland von Vagan hat mich abseits der wichtigsten Wege nie interessiert“, wisperte er ihm ins Ohr. „Wo können wir uns verbergen und gleichzeitig unsere Fährte verwischen? Felsiger Untergrund oder ein flaches Flussbett wären geeignet.“
„Kennst du die Grotten von Bimar? Ich weiß nicht genau, wo wir jetzt sind … In den Höhlen kenne ich mich sehr gut aus, dort könnten wir uns verstecken und den Bimar unterirdisch durchqueren“, flüsterte Rouven. „Unsere Feinde
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