Nayidenmond (German Edition)
Kuss einfordern …
Er würde vor Entsetzen erstarren, flehen, betteln, dass du ihn frei gibst, dachte er bitter. Niemand will von einem Oshanta angefasst werden, nicht auf diese Weise, er am allerwenigsten! Halt ihn fern von dir, notfalls mit Gewalt!
„Wir müssen weiter, rasch“, sagte er barsch, riss seinen Blick von Rouvens Gesicht, was so mühsam schien wie gegen Stromschnellen anzuschwimmen. Rouven zuckte zusammen, er wirkte verletzt, nickte aber schweigend und stand auf.
„Wann werden wir …“, begann er. Weiter kam er nicht mit seiner Frage: Iyen zerrte ihm das Hemd über den Kopf, warf ihn zu Boden, löste seinen Gürtel und schlug zu. Vier gleichmäßige Hiebe ließ er auf Rouvens bloßen Rücken niedergehen, jeder Einzelne so bemessen, dass er die Haut nicht zerriss und die Striemen sich nicht überdeckten. Rouven wehrte sich nicht, und diesmal war sich Iyen absolut sicher, dass der junge Mann nicht vor Schreck erstarrt war, sondern sich ganz bewusst beherrschte und stillhielt. Sollte er tatsächlich seine Angst und Abwehrreflexe besser im Griff haben als seine endlose Neugier? Beim fünften Schlag stöhnte Rouven unterdrückt, seine Hände zuckten.
Iyen ließ den Gürtel fallen und zog den schwer nach Luft ringenden, vor Wut sprühenden jungen Mann auf die Beine. Etwas in ihm war starr vor Entsetzen über das, was er getan hatte. Über den Zorn, der so plötzlich aufgeflammt war, weil Rouven sich benahm wie ein Kind, dem die Gefahr nicht bewusst war.
„Verdammt, was sollte das?“, fauchte Rouven.
„Du hattest es geschworen!“, grollte Iyen drohend. „Keine Fragen stellen!“
Rouven stockte der Atem. Die Wut verebbte, Angst kroch in seine Gesichtszüge.
„Du wolltest wie ein Mann behandelt werden. Männern gibt man keinen Klaps auf den Hintern“, fuhr Iyen fort.
Still zog sich Rouven an und folgte Iyen wie in Trance, als der weiterging.
Ich muss ihn zum Kämpfen bringen, um zu wissen, was er kann und was nicht … Iyen beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Rouven wirkte aufgewühlt und eingeschüchtert.
Er weiß nicht, wohin ich ihn bringe und was noch alles vor ihm liegt. Ich habe ihn aus seinem Zuhause gerissen, er hat nur mich.
Ja, da musste das wahre Problem liegen. Offenbar vertraute ihm Rouven wie schon damals weitaus mehr, als Iyen es für möglich gehalten hatte, bis an den Rand der Abhängigkeit.
Die leichten Schläge hat er wohl noch als Spiel akzeptiert und versteht jetzt, dass ich es ernst meine. Aber hat er mir wirklich so sehr vertraut? Er weiß doch, dass ich ein Oshanta bin, kein Freund oder Beschützer. Er muss es wissen, sonst gehen wir beide unter.
Iyen wägte alles Für und Wider ab. Es wäre schädlich, wenn Rouven zu große Angst vor ihm entwickeln würde. Ein gesundes Maß zwischen Distanz und Nähe, das war es, was sie brauchten.
Nicht gerade mein Gebiet, das Vertrauen eines Mannes zu erlangen. Er hingegen … Es hätte mir auffallen müssen, er hat vertraulich mit mir geredet – und ich mit ihm.
Iyen schämte sich dafür, wie leichtfertig er mit seinen Geheimnissen umgegangen war, ausgerechnet diesem emotional so unbeherrschten und schwer einzuschätzenden Mann Dinge anvertraut hatte, über die er noch nicht einmal mit seinen Meistern jemals gesprochen hatte. Wie er mit ihm umgegangen war. Irgendetwas hatte Rouven an sich, das Iyens Barrieren gefährdete. Und das könnte für sie beide tödlich enden.
Nun gut. Ich muss ihm erst einmal beweisen, dass ich keine Gefahr für ihn bin, solange er sich an die Spielregeln hält. Er soll, er muss mir vertrauen, aber er darf mich nicht mit einem Freund verwechseln.
Schweigend marschierten sie nebeneinander her. Rouven blickte mehrmals zu ihm hinüber, als wollte er etwas sagen, doch er gab keinen Laut von sich, bis Iyen einige Stunden später einen geeigneten Lagerplatz gefunden hatte, eine kleine Lichtung, von allen Seiten umgeben von dichtem Unterholz.
„Hier werden wir übernachten, es ist geschützt genug, dass wir sogar ein kleines Feuer entzünden können. Kannst du Feuer machen?“ Er musterte Rouven skeptisch.
Der junge Prinz funkelte düster zurück, schnaubte verächtlich und wollte sich an ihm vorbeidrängen. Iyen packte ihn hart am Arm und zog ihn zurück.
„Ich habe dir eine Frage gestellt, gib Antwort!“, forderte er laut.
„Ja, ich kann es, lass mich los!“ Rouven befreite sich gewaltsam, stampfte dann weiter. Iyen überlegte kurz, ob er ihn aufhalten sollte, beschränkte sich aber
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