Nayidenmond (German Edition)
hielt ihn mit der linken Hand im Nacken nieder, begann dann mit der rechten, die Flüssigkeit zu verteilen. Rouven zischte vor Schmerz, wand sich in seinem Griff – Quirasaft brannte erst wie Feuer, wenn er aufgetragen wurde, linderte dann und beschleunigte die Heilung. Iyen lächelte zufrieden, als sich sein Opfer zu entspannen begann und stilllag.
„Ich bin nicht dein Feind, Rouven, aber auch nicht dein Freund. Es ist wichtig, dass du das verstehst“, sagte er leise, rieb dabei weiter die Flüssigkeit ein, in langsamen, beruhigenden Bewegungsmustern. „Wir werden von mindestens zwei Oshanta verfolgt, die uns auf keinen Fall stellen dürfen, denn sonst sind wir beide verloren. Ich kann gegen einen von ihnen möglicherweise gewinnen, mehr nicht.“ Rouven blickte ihn aufmerksam an. Noch immer flackerte Furcht in seinen Augen, ganz leicht zumindest.
„Ich muss mich darauf verlassen können, dass du tust, was ich dir sage, ohne es zu hinterfragen, ohne darüber nachzudenken, ohne Diskussion. Das geringste Zögern deinerseits könnte unser beider Leben kosten, verstehst du?“ Der junge Mann nickte stumm.
„Ich weiß, dass du kein Kind mehr bist, deine Fähigkeiten oder Schwächen hingegen kenne ich nicht. Wenn ich frage, ob du Feuer machen kannst, ist das nicht als Beleidigung gemeint, sondern als Frage, sonst nichts. Was ich von dir erwarte, ist Vertrauen in meine Führung und Befolgung meiner Befehle. Du darfst nicht weglaufen, Streit anfangen oder mich mit einem deiner Brüder verwechseln. Freundschaft oder intime Vertrautheit sind ausgeschlossen. Die Nähe, die vor sechs Jahren nötig war, damit du überlebst, ist überflüssig und als potenzielle Ablenkung nicht statthaft, ja sogar von den Gesetzen deines Vaters geächtet. Was ich dir biete, ist Schutz, die Hoffnung auf Überleben und mein Versprechen, dass ich dich niemals vergewaltigen oder absichtlich verletzen werde. Hast du das alles verstanden?“
Rouven nickte erneut, sein Blick verschleierte. Iyen konnte nicht mehr bestimmen, was der junge Mann nun dachte oder fühlte.
„Falls du Fragen hast, darfst du sie jetzt stellen“, sagte er impulsiv. Es schmerzte ihn, als Rouven den Kopf schüttelte und sich vollends vor ihm verschloss. Es schmerzte so sehr, dass er mit sich selbst zu hadern begann, ob er nicht zu weit gegangen war – obwohl er diese Beherrschung doch erhofft hatte. Es ist besser, wenn nicht alle Welt sieht, was er empfindet. Egal, wie schön es aussieht!
Iyen beendete die Behandlung, obwohl er gerne noch stundenlang weitergemacht hätte, stand auf und wischte sich Grashalme und alte Blätter von den Knien.
„Steh auf und zieh dich an“, befahl er, wusch sich kurz die Reste des Quirasaftes ab und begann dann, das Rebhuhn zu rupfen. Er war wütend auf sich selbst, auf Rouven, auf diese ganze verdammte Welt!
Rouven schichtete derweil schweigend Holz an das Feuer, bis es hoch genug brannte, um den Vogel braten zu können. Die Stille dehnte sich zwischen ihnen wie ein Seil, das bis zum Zerreißen gespannt war, bis Rouven es schließlich nicht mehr auszuhalten schien und leise, mit gesenktem Kopf flüsterte: „Ich habe eine Bitte.“
Iyen sah ihn abwartend an.
„Bitte, entlasse mich aus meinem Versprechen, keine Fragen zu stellen. Ich kann das nicht, es ist so sinnlos für mich.“
„Ich habe dir doch erklärt, warum es wichtig ist! Du darfst nicht mit mir diskutieren, wenn wir in Gefahr sind – und im Augenblick sind wir dauerhaft in Gefahr. Sofortiger Gehorsam ist der sicherste Weg für dich zu überleben! Nur deshalb bestrafe ich dich, wenn du dagegen verstößt, du musst lernen, dich zu disziplinieren.“
Rouven ballte die Fäuste, starrte ihn trotzig und wütend an, schwieg aber und setzte sich still zu Boden, möglichst weit von ihm entfernt.
Er ist nicht dumm, er muss das doch einsehen!, dachte Iyen verwirrt. Warum versteht er nicht, dass ich nicht ihn als Mensch unterwerfen, sondern ihn retten will, indem ich ihm Gehorsam lehre?
„Ich will nicht geschlagen werden“, sagte Rouven unvermittelt, ohne ihn anzusehen.
„Und ich will dich nicht schlagen müssen. Halte dich an die Regeln, dann geht es uns beiden gut. Brichst du sie, lehrt dich der Schmerz, es nicht wieder zu tun.“
Die Antwort war verächtliches Schnauben. Rouven wandte ihm den Rücken zu und tat nichts, während Iyen das Abendessen zubereitete und sich zu fragen begann, ob er diesen Mann nicht lieber töten und sich so eine Menge Ärger und sinnlose
Weitere Kostenlose Bücher