Nayidenmond (German Edition)
darauf, ihn zu beobachten. Vor sich hinschimpfend sammelte Rouven Feuerholz. Er nahm dabei zwar Äste von geeigneter Größe und Beschaffenheit, achtete jedoch zu wenig auf seine Umgebung und machte zu viel Lärm.
Nachdenklich sah Iyen ihm zu, entschied dann, dass er Abstand brauchte, um nicht noch zorniger zu werden. Wenn sie beide die Beherrschung verlieren würden, hätten Jarne und Bero bereits gewonnen!
„Mach hier weiter, ich versuche etwas zu jagen. Sei dabei leise.“ Rouven nickte nur schweigend und schien sich langsam zu beruhigen. Trotzdem musste Iyen sich regelrecht zwingen, ihn zurückzulassen.
Nun geh endlich! Er benimmt sich wie ein störrisches Kind, aber er ist keins mehr. Und verzeihen soll er dir gar nicht, es ist gut, wenn er dich hasst!
Iyen hatte Glück, nur wenige Hundert Schritt vom Lager entfernt scheuchte er ein Rebhuhn auf, das er rasch erlegt hatte. Es würde für ein Abendessen ausreichen. Auf dem Weg zurück entdeckte Iyen einen Strauch voll reifer, weißer Quira-Beeren. Er kannte ihre Wirkung und ohne lange nachzudenken, pflückte er eine Handvoll und verstaute sie in seiner Tasche. Er ahnte, dass er sie schon bald benötigen würde. Iyen musste ihn notfalls mit Gewalt dazu bringen, sich ihm und seiner Führung zu unterwerfen. Es war seine Pflicht dafür zu sorgen, dass er den Jungen dabei nicht zu sehr verletzte … Oder endgültig zerstörte.
8.
„Aus den Früchten des Zorns entspringt die Blüte der Hoffnung.“
Einleitungssatz von siebzehn verschiedenen Versen der Weissagungen des Ebano
Rouven schichtete das Feuerholz hoch, legte dann einen Steinkreis, um die Brandgefahr durch Funkenflug zu vermindern. Er wollte alles richtig machen, damit Iyen keinen Grund fand, ihn zu kritisieren. Oder noch einmal so zu schlagen. Sein Rücken brannte noch immer – noch nie war er auf diese Weise verprügelt worden. Außer von Jarne und Bero.
Er wusste, dass Iyen ihn nicht geschlagen hatte, weil es ihm Spaß machte. Es war als Strafe gedacht, um ihn zu disziplinieren. Ein Teil von ihm verstand und hieß zumindest das Ziel gut, was Iyen damit erreichen wollte. Es war nun mal wichtig, dass sie gemeinsam funktionierten, um sich bei Gefahr aufeinander verlassen zu können. Ein anderer Teil hasste es, dass ausnahmslos jeder mit ihm ständig unzufrieden war und er es niemandem Recht machen konnte. Es nagte an seinem Selbstwertgefühl, weckte Trotz und Widerstand, wodurch alles nur noch schlimmer wurde. Da war allerdings auch jener Teil in ihm, der Iyen sechs Jahre lang als Beschützer in Erinnerung gehalten hatte, der ihm Geborgenheit und Trost schenkte, als Traumwächter, der ihn nachts vor seinen Ängsten bewahrte. Es verstörte ihn, dass sich da so viel geändert hatte. Dass Iyen ihn zwar weiterhin beschützte, aber jegliche Nähe und Vertrautheit so rigoros unterband.
Er sprang auf, als ein Schatten über ihn fiel – Iyen war zurück, ohne dass er nur einen Laut gehört hätte.
„Wäre ich dein Feind, hätte ich dich töten können.“ Iyen legte seine Beute ab, ohne ihn anzusehen und begann in seinem Bündel zu wühlen.
„Könnten die Oshanta denn schon so nah sein?“, fragte Rouven impulsiv, zu spät wurde ihm klar, dass er einmal mehr diesen einen Fehler begangen hatte und er zuckte zusammen.
Furcht und Trotz kämpften in den grünen Augen um die Vorherrschaft, Iyen war froh über den Trotz – er wollte ihn nicht brechen, um keinen Preis. Ohne Hast stand er auf, zeigte keinerlei Emotionen, während er ihn musterte und schließlich sagte:
„Zieh dich komplett aus und leg dich auf den Bauch.“
Rouven erstarrte, jegliche Farbe wich aus seinem Gesicht.
„Zieh dich aus“, wiederholte Iyen betont. Er wusste, was Rouven nun fürchtete. Es war ihm nicht gleichgültig, obwohl es besser für sie beide wäre.
„Nein“, flüsterte Rouven, schüttelte den Kopf. „Nein. Das kann ich nicht.“
„Du hast geschworen, dich nicht zu wehren, egal, was ich dir antue.“
„Gehorsam habe ich nicht geschworen!“, widersetzte er sich heftig.
„Ich kann dir die Kleider vom Leib reißen und dich niederzwingen, aber dabei würde ich dich womöglich verletzen. Damit verlangsame ich unser Vorwärtskommen und das wäre unsinnig.“ Iyen musste nicht lange warten, Rouven verstand sofort, was diese Worte bedeuten sollten.
„Du willst mich also nicht verletzen?“ Der rasche Wechsel von Entsetzen zu Hoffnung, dann Misstrauen und zum Schluss angsterfüllte Wachsamkeit auf diesem
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