Nayidenmond (German Edition)
Streitgespräche ersparen sollte.
„Warum holst du nicht schon mal Wasser?“, fragte er schließlich in das gespannte Schweigen hinein und warf ihm zwei Wasserschläuche hin.
„Weil du es mir nicht befohlen hast“, erwiderte Rouven steif und rührte sich nicht.
Ich könnte ihn auspeitschen, bis er gebrochen ist, vielleicht wird es dann besser und wir überleben das hier …, dachte Iyen. Es war seltsam, wie wütend dieser Mann ihn machen konnte, so etwas hatte er noch nicht erlebt. Zumal er ihn erst einen Moment zuvor am liebsten umarmt und geküsst hätte.
„Hör auf, dich lächerlich zu benehmen und geh Wasser holen“, knirschte er beherrscht.
„Ich darf nicht fragen, in welcher Richtung sich der nächste Bach befindet, also kann ich meine Aufgabe nicht erfüllen“, schoss Rouven zurück.
„Diese Art von Fragen darfst du immer stellen“, erwiderte Iyen und furchte irritiert die Stirn. Der Unterschied zwischen lebensnotwendigen Informationen und störendem Geplapper musste einem erwachsenen Mann einfach klar sein! Wenn er sich allerdings den Kampf in Rouvens Gesicht ansah, wo Zorn und Angst ein hartes Gefecht gegen die Selbstbeherrschung führten, schien das ein Irrglaube zu sein …
Ein wenig beschämt gestand sich Iyen ein, dass er Rouven mehrmals unterbrochen hatte, bevor der seine Frage beenden konnte und damit unklar war, ob er plappern oder wichtige Dinge erfahren wollte.
„Wenn du mir sagst, wohin ich gehen muss, werde ich das sofort tun“, presste der junge Mann schließlich hervor.
„Etwa vierhundert Schritt da entlang“, erwiderte Iyen unbewegt und wies mit dem Dolch nach links, wandte sich dann wieder seiner Arbeit zu. „Beeil dich, es dämmert gleich.“
Iyen atmete auf, als Rouven fort war, obwohl er wusste, welches Risiko er damit einging.
Er war bereits mit allem fertig, als ihm bewusst wurde, dass Rouven unmöglich so lange für einen solch kurzen Weg brauchen konnte.
Er ist wütend, er lässt sich Zeit. Angestrengt lauschte er in Richtung Bach, ob von dort etwas zu hören war, etwa Hilferufe oder Kampfgeräusche; doch es war, abgesehen von Vogelgezwitscher, vollkommen still. Gerade die lärmenden Vögel bewiesen, dass alles in Ordnung war.
Es wurde bereits dunkel, als Iyen begann, unruhig zu werden. So trotzig konnte niemand sein, dass er derart lange fortblieb, schon über eine halbe Stunde mittlerweile, und riskierte, sich in dem dichten Unterholz zu verlaufen oder in der Dunkelheit zu stolpern.
Die Oshanta können ihn nicht erwischt haben. Wenn sie hier wären, hätte er ihnen längst verraten, wo ich bin. Ob er sich verletzt hat? Oder will er, dass ich mir Sorgen mache und ihn holen komme?
Augen rollend verstaute er seine Waffen und marschierte los.
Er entdeckte Spuren von Rouven, die vom Ufer fortführten, und folgte ihnen hastig, solange er noch ein wenig Tageslicht zur Verfügung hatte. Der junge Mann schien versucht zu haben, seine Stiefelabdrücke zu verwischen, was nur einen Schluss zuließ: Er wollte ausreißen.
Ich war zu hart zu ihm. Er ist körperliche Gewalt nun mal nicht gewöhnt. Was für mich nur ein Klaps wäre, mag für ihn grausam sein … Iyen verharrte und dachte nach. Rouven war impulsiv, aber nicht dumm. Wahrscheinlich hatte er sich hier irgendwo versteckt, um sich zum Lager zu schleichen und dort Ausrüstung zu holen, ohne die er hier draußen gänzlich verloren wäre. Augenblicklich kehrte er um. Schnell entdeckte er den jungen Mann, der sich wirklich Mühe gab, leise zu sein und jeden Busch als Deckung nahm. Zugleich sah er allerdings etwas, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ: ein dunkler Schatten, der sich seitlich an Rouven heranpirschte. Zu langsam für ein Raubtier, zu schnell für einen gewöhnlichen Menschen … Und er hatte noch nicht bemerkt, dass er nun ebenfalls gejagt wurde. Ohne zu zögern, sprang Iyen den Oshanta an, der sich zwar noch zu ihm umwandte, aber nicht mehr ausweichen konnte. Er nutzte seinen Schwung, den Feind zu Boden zu schubsen, konnte ihn allerdings nicht dort festpinnen. Nach kurzem Gerangel riss sich der Oshanta los und verschwand in der Dämmerung. Innerlich fluchend kam Iyen auf die Beine und schnappte sich Rouven, der zum Glück nicht weitergelaufen war, sondern sich niedergekauert hatte. Er leistete keinen Widerstand, ließ sich mit in den Wald ziehen und in die relative Deckung zwischen mehreren dicht beieinander gewachsenen Buchenstämmen zwingen. Iyen zerrte ihn mit sich zu Boden, umschlang
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