Nazigold
mir in
einer Autowerkstatt einen Wagen, fuhr zur Insel und ruderte hinüber. Ich wollte
an unser vergrabenes Gold. Als ich zu dem Versteck kam, traf mich fast der
Schlag: Die Grube war leer. Alles ausgeräumt. Ich dachte: Der Berger hat die
beiden Kisten für sich gerafft. Ich kochte vor Zorn. Es war doch auch mein
Gold, mit dem ich nach dem Krieg gut leben wollte!«
»Der Berger war’s nicht«, sagt Gropper ruhig.
»Woher weißt du das?«
»Ich weiß es.«
»Wer dann?«
»Es gibt Verdächtigungen.«
Albrecht nickt und fragt nicht weiter. Er scheint ein schlechtes
Gewissen zu haben, dass er Berger des Verrats an ihm verdächtigt hat. »Ich also
zurück zum Hotel. Die Hotelwirtin kam und verlangte, dass ich mein Zimmer
bezahle. Ich hatte kaum noch Geld, das reichte nicht für die Logis. Dazu war
das Gold weg. Auf einmal standen Militärpolizisten in meinem Zimmer. ›Sind Sie
Mr. Neumann?‹ – ›Ja‹, sagte ich. Sie verlangten meinen Ausweis, drehten ihn hin
und her. Mir schlotterten die Knie. Ruck, zuck nahmen sie mich mit zu einer
vornehmen Villa. Dort verhörte mich der amerikanische Geheimdienst, das CIC . Wahrscheinlich haben sie dann doch entdeckt, dass
mein Ausweis gefälscht war, obwohl die KZ ler in
Sachsenhausen für ihre Professionalität und ihr Können bekannt waren. Und
schwupps war ich hier in diesem Lager.« Er verzieht das Gesicht zu einer
Grimasse. »Da hock ich nun seit einem Jahr in diesem Drecksloch. Das Gold auf
Sassau weg, der Adolf weg, Berger in der Jauche und ich hinter Stacheldraht. So
eine Scheiße!«
***
Als Strafmaßnahme wegen ihres unerlaubten Entfernens vom
Arbeitskommando müssen Gropper und Albrecht am nächsten Tag die hohen
Bretterstapel, hinter denen sie sich versteckt hatten, in eine andere Ecke des
Lagers schleppen und sie dort aufschichten. Dabei ziehen sie sich Holzschiefer
in die Hände. Auch ihre Blasen schmerzen noch. Am Nachmittag müssen sie die
riesigen Stapel, die sie aufgetürmt haben, wieder umlagern, zurück in die erste
Ecke. Schikane, zürnt Gropper. Reine Schikane.
»Immerhin besser als das, was eine andere Arbeitsgruppe vor ein paar
Tagen erleben musste«, beruhigt ihn Albrecht. »Am Mittenwalder Güterbahnhof
mussten sie Reste von deutschen Artilleriegranaten aus Waggons in Lkws umladen.
Dabei sind mehrere Geschosse explodiert. Ein Güterwaggon und zwei Lkws fingen
Feuer. Nur weil die Mittenwalder Feuerwehr und die Amerikaner schnell
eingriffen, flog nicht der ganze Zug mit dem Plunder in die Luft. Trotzdem
kamen vier Internierte ums Leben.«
Kurz vor dem Abendappell, als Gropper auf einer leeren Holzkiste
hockt und versucht, sich die Schiefer aus den Händen zu pressen, kommt
plötzlich Haig auf ihn zu. »The commander wants to see you«, sagt er so
nebenbei und klopft dabei mit seiner Reitgerte an seine Uniformhose.
Er führt Gropper über den Exerzierplatz zum Kommandantengebäude. Die
Lageruhr zeigt kurz vor siebzehn Uhr. Die beiden Posten am Eingang salutieren.
Haig bringt Gropper in eine große Empfangshalle.
»Wait.«
Haig klopft an eine Eichentür, an der in einem Silberrahmen das
Schild »Major Victor Korner – Camp Commander« angebracht ist, und verschwindet
dahinter. Gropper wartet.
Nach einer Weile kommt Haig wieder hervor, weist Gropper an
einzutreten und verlässt wortlos die Halle.
Gropper wird von einer lächelnden jungen Dame in einer grauen
Uniform empfangen. »Grüß Gott«, sagt sie freundlich.
»Ah, Sie sind auch Deutsche.«
»Freili, aus Mittenwald. Der Herr Kommandant wartet schon auf Sie.«
Sie klopft an den Rahmen einer dick gepolsterten Tür.
»Come in«, hört Gropper von innen eine Stimme rufen.
Sie öffnet die heilige Pforte und lässt Gropper eintreten. Nun steht
er im Dienstzimmer des ehemaligen Kasernen-Kommandeurs Nafziger. Hinter einem
großen Schreibtisch, auf dem mehrere Telefone mit zahlreichen Knöpfen stehen,
lehnt der jetzige Kommandant Korner lässig in einem breiten Ledersessel und
spielt mit einem kleinen hölzernen Gliederesel. Ein Kinderspielzeug, bei dem
man durch Drücken eines Klotzes im Podest, auf dem der Esel steht, diesen in
verschiedene Richtungen niedersinken lassen und wieder aufrichten kann. Hinter
ihm an der Wand hängt wieder ein großes farbiges Porträt von General
Eisenhower, wo früher das Hitler-Bild dräute. Gropper bleibt vor dem
Schreibtisch stehen.
Korner hat einen militärischen Bürstenhaarschnitt, ein mageres,
asketisches Gesicht und trägt eine pedantisch korrekte
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