Nazigold
mir.«
Vorsichtig erhebt sich Gropper und späht um die Ecke des
Bretterstapels, um nachzusehen, wo sich der Aufseher herumtreibt und ob er ihre
Abwesenheit schon bemerkt hat. Er ist nirgends zu entdecken, und so lässt sich
Gropper beruhigt wieder nieder und fragt Albrecht: »Seit wann kennst du den
Berger?«
»Ich war schon in Berlin sein Fahrer. Seit ’42. Als er noch
einer von Adolfs Adjutanten in der Reichskanzlei war und zu Adolfs persönlichem
Sicherheitsstab gehörte. Der Berger war ein Gentleman. Er war gebildet. Hatte
Jura und Staatswissenschaften studiert, Geschichte, auch etwas Theologie. An der
Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin. Hatte sogar den Doktortitel. Ein
Jammer, dass ein so tapferer SS -Mann in einer
Jauchegrube endet.«
»Was hat euch überhaupt in diese Gegend verschlagen?«
»Das Ganze begann im April ’45«, erzählt Albrecht freimütig.
Nach dem Tod seines Chefs fühlt er sich wohl nicht mehr an seinen SS -Schwur »Treue heißt unsere Ehre« gebunden. »Der Iwan
rückte auf Berlin zu, und der Berger überzeugte den Adolf, dass die
Reichsbankreserven an einen sicheren Platz in die bayerischen Alpen geschafft
werden müssen. Weil Berger die Gegend um den Walchensee gut kannte, wurde er
vom Adolf persönlich damit beauftragt, den Lkw-Konvoi zu den Verstecken zu
begleiten.«
Er macht ein wichtiges Gesicht. »Der Berger und ich haben schon seit
Langem gewusst, dass der Krieg verloren geht und wir den Siegern ausgliefert sein
werden. Wir waren ja schließlich nicht blind. Viele der obersten Etagen sorgten
für die Nachkriegszeit vor und beschafften sich neue Papiere. So auch der
Berger. Er hat sich in der Fälscherwerkstatt vom KZ Sachsenhausen
neue Papiere machen lassen. Dazu ein ziviles Kennzeichen für seinen BMW . So schlau war er! Auch für mich hat er gefälschte
Papiere herstellen lassen. Er würde für die Besatzer Heinrich Krüger sein, ich
würde Neumann heißen. Den Namen fand ich gut. Ich sollte nach der Niederlage
als neuer Mann davonkommen.« Albrecht grinst. »Ist aber nichts draus geworden.
Seit über einem Jahr hocke ich in diesem verlausten Loch.« Er wirkt nun gar
nicht mehr amüsiert.
Albrecht steht auf und lugt nun selbst um den Bretterstapel, um zu
überprüfen, ob sie nicht plötzlich von dem Aufseher überrascht werden können.
Die Luft ist rein. Also setzt er sich wieder und fährt fort: »Damit wir am Ende
nicht so ganz ohne Vermögen aus der Sache herauskommen, hat Berger in Berlin
zwei Kisten vom Reichsbank-Gold abgezweigt und in den Kofferraum seines BMW s geladen, dazu für uns beide Zivilkleider. Wir
folgten den fünf Lkws, die vollgepackt waren mit dem Gold und den Devisen der
Reichsbank, nach Mittenwald, fuhren aber nicht in den Ort hinein, sondern über
Einsiedl zur Insel Sassau. Berger kannte die Strecke. Bei einem Bootshaus luden
wir die beiden Kisten in einen Kahn und ruderten hinüber zur Insel. Wir
vergruben die Kisten zwischen Ginsterbüschen und steckten einen großen
verdorrten Ast in die Erde, um die Stelle später wiederzufinden. Berger
versprach mir von diesem Gold einen Anteil, sobald der Krieg vorbei war. Dann
fuhren wir zurück nach Mittenwald. Ich trug nun meine Zivilkleider, denn ich
sollte von den Gebirgsjägern, die nun die Reichsbankreserven in die vorgesehenen
Verstecke verbrachten, nicht mit ihm in Verbindung gebracht werden. Außerdem
durfte ich natürlich die Verstecke nicht kennen. Ich war ja nur ein Chauffeur
der Nazis, kein Eingeweihter. Schon vor unserer Abreise aus Berlin hatte Berger
für mich im Hotel Post ein Zimmer besorgt. Dort sollte ich mich mit meinen
gefälschten Papieren als Berliner Tourist so lange aufhalten, bis er mich nach
Vollendung seines offiziellen Dienstes als Berger oder Krüger wieder abholte.
Je nachdem, wie weit der Iwan bis dahin vorgedrungen wäre. Dann fuhr er mit
seinem BMW weiter zur Edelweiß-Kaserne.« Albrecht
sieht Gropper bedauernd an. »Von diesem Abend an habe ich ihn nie wieder
gesehen.«
Albrecht ist so aufgewühlt, dass er nicht mehr auf dem Boden sitzen
kann. Er steht auf, geht die wenigen Schritte hinter dem Bretterstapel hin und
her und achtet gar nicht darauf, ob man ihn sehen könnte.
»Berger kam und kam nicht zurück. Es war inzwischen Anfang Mai, und
die Amis hatten seit ein paar Tagen Mittenwald besetzt. Ich war fest davon
überzeugt, dass sie ihn geschnappt hatten. So ein Obersturmbannführer ist doch
ein dicker Fisch. Als das Autofahrverbot aufgehoben wurde, lieh ich
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