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Nazigold

Nazigold

Titel: Nazigold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kohl
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Chaosladen etwas Bestimmtes zu finden. Und wenn er den
Antiquar fragte, der ebenso alt schien wie seine antiquarischen Bücher und
ebenso aus dem Leim zu gehen drohte, ließ dieser sich nicht beim Lösen seines
Kreuzworträtsels stören und schüttelte nur stumm den Kopf.
    Kurz vor seiner Pension muss er wieder zu einer Lüftlmalerei
hinaufschauen. Am Hornsteinerhaus packt Judith den Holofernes am Haar und
schlägt ihm mit einem großen Schwert den Kopf ab. Mord allerorten. Hier durch
Köpfen in einem Zelt, in Nafzigers Büro durch Kopfschuss. Ist Gropper jene
Judith, die den Täter packt und erledigt?
    Dann steht er vor seiner Unterkunft. Zwischen zwei Holzmasten vor
der Pension »Karwendelblick« hat man Wäsche zum Trocknen aufgehängt. Schürzen,
Handtücher, Röcke. Auch alte lange Unterhosen und zerschlissene Mieder, ehemals
weiß, nun stark gedunkelt. Unter der Wäsche hocken halbnackte Kinder auf der
Erde und bewerfen sich mit Sand.
    Die Tür steht einen Spaltbreit offen. Gropper will sie weiter
aufdrücken, schafft es aber nicht.
    Er sucht den Klingelknopf, doch es ist keine Klingel vorhanden. Nur
ein Schild mit der Aufschrift »Pension Karwendelblick – Inhaberin: Marianne
Nafziger«. Sie lebt also noch. Aber wie heruntergekommen ist ihre Pension!
    Gropper muss die Tür gewaltsam aufdrücken und sich durch den Spalt
hindurchquetschen. Fast wäre er dabei über einen umgekippten, räderlosen
Kinderwagen gefallen, der hinter der Tür liegt.
    Die Eingangsdiele ist voller palavernder Männer und Frauen. Laut reden
sie in verschiedenen Sprachen aufeinander ein. Er versteht keine davon und
bleibt erst mal stehen. Niemand scheint ihn zu bemerken. Da schlängelt sich ein
kleiner Mann in einem blauen Kittel durch die Menge. Er bleibt vor Gropper
stehen und stellt sich vor, indem er artig seine Schirmmütze vom Kopf zieht.
Eine Glatze voller Schuppen kommt zum Vorschein.
    »Bittschön, Wondratschek.«
    »Ich möchte Frau Nafziger sprechen.«
    »Die gnädige Frau Nafziger ist heimgegangen.«
    »Wo wohnt sie denn?«
    »Gott, unser allmächtiger Herr, hat die Selige zu sich genommen.«
    »Marianne ist gestorben?«
    »Vor einem Jahr ist sie verschieden.«
    Das stimmt Gropper traurig. »Ich bin angemeldet. Gropper«, sagt er.
    Diensteifrig erklärt Wondratschek, er sei nun der Pensionswirt und
zugleich der Hausmeister, und stülpt schnell seine Mütze wieder über den
Schädel. Dabei rieselt Grind auf seine Schultern.
    »Bittschön, wie lange bleibt der Herr?«, fragt er buckelnd. Dem
Dialekt nach kommt er aus dem Sudetenland. Mit einem weiteren »Bittschön«
drückt er Gropper den Schlüssel in die Hand. »Ganz oben, unterm Dach«, sagt er.
»Die Tür ist offen. Bittschön, die Stiege.«
    Gropper steckt den Schlüssel in seine Trenchcoat-Tasche. Dabei spürt
er etwas Kleines, Hartes, Rundes. Er tastet das Ding ab und ahnt plötzlich, was
das sein könnte. Ihm wird ganz heiß. Solange dieser Wondratschek um ihn
herumwieselt, wagt er nicht, es aus der Tasche zu nehmen und sich zu
vergewissern.
    Wie ein Gnom huscht Wondratschek durch zwei Räume voran, über halb
ausgepackte Konservenkartons hinweg, über Berge schmutziger Wäsche, über auf
dem Boden schlafende Männer, Frauen und Kinder. Gropper muss sich Mühe geben,
ihm zu folgen. Es geht durch die Küche hindurch, wo Frauen in Kopftüchern über
zwei Gasflammen in Töpfen rühren, aus denen ein unangenehmer Dunst steigt. Vor
einem Bretterverschlag buckelt Wondratschek: »Bittschön, die Stiege.«
    Gropper steigt die steile Holztreppe hinauf, befühlt dabei immer
wieder seitlich seine Manteltasche. Das kleine Ding ist noch da.
    Bei jedem Schritt knarrt die Treppe, als würde sie jeden Moment
zusammenbrechen. Drei Etagen hoch bis zur Juchhe, dann steht er dicht unter dem
schrägen Dach. Fast stößt er mit dem Kopf an die alten Balken. Er wuchtet
seinen Koffer in die Mansardenkammer und will die Tür hinter sich abschließen.
Der Schlüssel klemmt in dem schief eingebauten Schloss. Erst nachdem er es
mehrmals versucht hat, schnappt das Schloss endlich zu.
    Jetzt holt er seine Entdeckung aus der Tasche und muss sich
zusammenreißen, um nicht zu glauben, er befände sich in einem der Grimm’schen
Märchen. Er hält tatsächlich Korbis Goldmünze in der Hand. Dieser Hallodri hat
sie ihm in die Manteltasche gesteckt, während sie nebeneinander hergingen. Und
er hat es nicht bemerkt. Sobald er ihn wiedersieht, wird er ihm diesen Schatz
zurückgeben.
    Sorgfältig verstaut

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