Nazigold
und in Holzregalen eingemachte
Marmeladengläser. Nun stehen in den Regalen Corned-Beef-Dosen, Packungen mit
Mais, Nescafé und Weißbrot, Kartons mit Coca-Cola, Whisky, Cognac, Champagner,
Bohnenkaffee und massenhaft Stangen von Zigaretten: Marlboro, Pall Mall, Camel.
»Das ist ja der reine PX -Laden«, sagt
Gropper erstaunt.
Theres winkt ab. »Nur kleines Lager. Aber deshalb hab ich dich nicht
runtergeführt.«
»Warum dann?«
»Oben werden wir abgehört.«
»Und hier unten nicht?«
»Noch nicht. Kann aber noch kommen.«
»Von wem abgehört?«
»Na von wem wohl?«
»Von den Amis?«
»Klar.«
»Du stehst also unter Kontrolle.«
Theres schweigt.
»Deshalb wolltest du nicht, dass man dich mit mir vor dem Haus
sieht.«
Sie schweigt immer noch.
»Aber als Dolmetscherin hast du doch eine Vertrauensstellung.«
»Vertrauen ist gut, Kontrolle besser. – Wer hat das noch gesagt?«
»Schon mal gehört. Weiß nicht.«
Sie setzen sich auf einen der Stapel CARE -Pakete,
die überall auf dem Betonboden aufgeschichtet stehen.
»Woher hast du all das Zeug?«
Theres reißt eine der Zigarettenstangen auf und zerrt eine
Marlboro-Packung heraus. »Du auch?«, fragt sie und hält ihm die geöffnete
Schachtel hin. Gropper schüttelt den Kopf. Sie fingert eine Marlboro heraus und
zündet sie mit einem Feuerzeug an.
»In München haben wir nicht einmal das Benzin zum Nachfüllen«,
bemerkt Gropper.
»Gas«, sagt sie und nimmt einen Lungenzug. »Ist ein Gasfeuerzeug.
Von den Amis.«
Sie zieht nochmals an der Zigarette und sagt dann ganz
selbstverständlich: »Also, warum der Nafziger mit seiner Bude so wahnsinnig
viel Geld verdient hat: Es ist im Ort allgemein bekannt, dass in seinem
Amüsierclub gewaltig geschoben wurde und wohl auch weiter geschoben wird. Die
Amis und die Schwarzhändler gehen da ein und aus. Die Amis dürfen ihre
Geschäfte natürlich nicht auf dem Bahnhofplatz machen. Da hätten sie sofort das
Militärgericht am Hals. Also treffen sie sich im ›Crazy Horse‹, im Hinterzimmer.
In ihren PX -Läden kaufen sie massenhaft zu
billigsten Preisen ein. Alles. Von Zigaretten über Schokolade bis hin zu
Seidenstrümpfen. Sie verkaufen es an die Schwarzhändler, die das Zeug
wahnsinnig teuer auf dem Bahnhofplatz verschachern. Oder sie tauschen ihre PX -Ware bei den deutschen ›Froileins‹ im ›Crazy Horse‹
gegen ein Schäferstündchen ein. Dafür gibt’s im Obergeschoss Extrazimmer. Die
Mädels sind ganz wild auf diesen Luxus und verhökern ihn ebenfalls auf dem
Bahnhofplatz weiter. So geht das. Jeder weiß Bescheid, und die meisten machen
mit.«
Gropper nickt. So etwas kennt er aus München.
»Aber nicht nur die Amis bieten in Nafzigers Hinterzimmer Ware an.
Auch alte Nazis, Wehrmachtssoldaten und SS -Leute.
Sie verkaufen ihre goldenen NS -Parteiabzeichen,
Tapferkeitsauszeichnungen, Nahkampfspangen, Ritterkreuze, SS -Abzeichen, Ehrendolche, Totenkopfembleme, SS -Totenkopfringe und was weiß ich noch alles. Die Amis
zahlen irrsinniges Geld dafür. Sind ganz narrisch auf diese Trophäen. Sie sind
schließlich die Sieger. Müssen doch was mitbringen, wenn sie in die USA zurückkehren.« Theres schnaubt abfällig. »So manche
Wehrmachtler, Gebirgsjäger und SS -Leute wollen
ihre Auszeichnungen aber trotzdem behalten. Als Erinnerung für ihre
Tapferkeit.«
»Und mit deinem kleinen Warenlager …«
»… verdiene ich ein bisschen nebenher«, ergänzt sie.
»Du verkaufst das Zeug an Schwarzhändler?«
»Nur an ausgesuchte Leute.«
»Und von wem hast du das alles?«
»Durch meine Dolmetscherarbeit bekomme ich von den Amis so einiges
geschenkt.«
»Zum Beispiel auch einen BMW .«
Auf seine spitze Bemerkung geht sie nicht ein. Sie nickt nicht
einmal, ist aber sichtlich verärgert.
Da sie hier unten nicht abgehört werden, will Gropper die
Gelegenheit nutzen und prescht vor: »Wenn du so gute Beziehungen zu den
Amerikanern hast, dann weißt du doch sicher, wer den Nafziger umgebracht hat.«
»Brüderchen, jetzt spinn mal nicht«, weist sie ihn patzig zurecht.
Zum ersten Mal ist sie biestig zu ihm.
Gropper bohrt unbeirrt weiter. »Warum wurde er umgebracht?«
»Nix weiß ich«, wehrt sie ab. »Absolut nix.« Mürrisch zerdrückt sie
ihre brennende Marlboro auf dem Betonboden und zündet sich eine neue an.
»Wer hat ihn umgebracht?«
»Ach, du fragst, du fragst.« An ihrer Stimme erkennt Gropper, wie
lästig ihr seine Hartnäckigkeit ist, doch er lässt nicht locker.
»Wer könnte ihn ermordet
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