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Nazigold

Nazigold

Titel: Nazigold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kohl
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sie nicht nur wegen seiner
verstorbenen Mutter Tränen in den Augen. Ehe Gropper antworten konnte, eilte
sie davon. Gleich darauf kam Luise zu ihm und fragte ihrerseits: »Wer war das?«
    Gropper kannte Luise damals erst seit wenigen Wochen. Und natürlich
hatte er ihr nichts über seine Jugendliebe Wilma erzählt.
    Bevor sie wieder gehen, tauchen sie den kleinen Birkenwedel in das
Weihwasserschälchen mit dem Regenwasser und sprengen ein paar Tropfen auf das
Grab. Um die verwelkten Osterglocken mit den angefaulten Stängeln in die
Kompostkiste zu werfen, müssen sie zu einer entlegenen Ecke an der
Friedhofsmauer. Theres deutet ein Stück voraus: »Da ist der Depp wieder. Der
Ballonkopf.«
    An einem an der Mauer gelegenen Grab schrubbt der alte
Friedhofsgärtner wütend den Stein, neben dem eine Bierflasche steht, und
schimpft: »Du faula Hund. Hundertmal hab i dia gsagt, du sollst den Stein sauba
machn. Nix hast gmacht! Zu nix taugst du, zu nix! Un mei Biea wird warm!«
    Korbi steht grinsend daneben und rührt sich nicht. Jetzt kann
Gropper ihm unmöglich seine Goldmünze zurückgeben. Das nächste Mal, nimmt er
sich vor, wenn er allein mit ihm ist.
    »Dann rech wenigstens des Laub aufm Kiesweg zamm!«
    Freudig eilt Korbi zum Werkzeughäuschen, um einen Rechen zu holen.
Der Alte richtet sich auf. Sein borstiger Schnäuzer steht noch genauso
strubblig unter seiner Nase wie früher.
    »Ja da schaug, wen seh i denn da?«, ruft er erfreut. »Unser alter
Schandi!« Er schiebt seine Schirmmütze zurück, wischt sich seine mit Moos
verschmierten Hände an der Schürze ab und schüttelt Gropper herzlich die Hand.
»Hams n’Vadda und d’Muadda bsuacht, gell. Wia geht’s Eana denn? Wohnans jetz
wieda bei uns?«
    Gropper kann sich noch gut an den Alten erinnern. Bei der Beerdigung
seiner Mutter war er einer der Sargträger.
    Der Friedhofsgärtner greift nach seiner Bierflasche neben dem
Grabstein, nimmt einen kräftigen Schluck und wischt sich mit dem Handrücken den
Mund ab. »Alle Stein macht dea Depp sauba. Aba den ums Vareckn net. Gegn den
hat ea was.«
    »Unbekannt« ist in den simplen Bruchstein eingemeißelt. Sonst
nichts. Kein Geburtsdatum, kein Sterbedatum.
    »Warum steht da kein Name?«, fragt Gropper.
    »Den hams aus dea Odlgruam vom Nafziger rauszong«, sagt der Alte.
»Koana woaß, wer dea war.«
    Gropper wird hellhörig. »Aus Nafzigers Jauchegrube?«
    »Ja freili. A Unfall. Des passiert scho a moi.«
    »Wann war das?«
    »Im Sommer vorigs Jahr. Aba wann ea wirkli gschtorm is, des woaß
koana.«
    »Hat man nicht herausgefunden, wer dieser Unbekannte ist?«, will
Gropper wissen.
    »Nix net. Ea hat a nix hintalassn. Zua Beerdigung warn nur dea
Pfarrer, de Sargträga, de Schaufler un i da. Dea Pfarrer hat a paar Wort
gsagt, dann is zuagschütt worn. Un dea Hiasl war a da. Dea is ja überall, wos
was zum Schaun gibt.« Dabei deutet er auf Korbi, der gerade mit einem großen
Rechen zurückkommt.
    Der Alte schüttelt sich. »Beim Niederlassn in de Gruam is dea Sarg
weggrutscht und dea Deckl aufgsprunga – so als wollt ea wieda rauskomma.«
    Wieder nimmt er einen Schluck aus seiner Bierflasche.
    »So vui Mittenwalder hab i unter de Erd bringn müssn, seit Se weg
warn«, sinniert er. »Fast jedn Tag an andern. Und bald muaß i ofanga, de Gruam
fürn Nafziger schaufeln, den armen Kerl. Sovui i ghört hab, kommt er ja
demnächst aus Minga zruck. Dass se den erschossn ham, is a Schand. Aba es
lafft ja so vüi Gschwerl rum. Da wunderts mi net.« Mit seiner Bierflasche weist
er auf die andere Ecke des Friedhofs. »Da soll der Nafziger liegn, wann er
zruck is aus Minga. Grad nebn dea Nafzigerin, seina Mudda.«
    »Wann ist sie gestorben?«, fragt Gropper.
    »Des wa so im Mai vorigs Jahr. Kurz nach dem, den s’ aus dea
Odlgruam zong ham.«
    »Woran ist sie gestorben?«
    »Aus Bekümmernis. Nua Bekümmernis.«
    »Warum?«
    »Weil ia die Amis die Pengsion weggnomma ham. Für die ganze Bagasch
ausm Osten.« Er bewegt den Kopf nach links, obwohl da gar nicht Osten ist. »Ja,
so schnell geht’s. Da lebst a bissl dahin, machst a paar Sachn, un scho is
d’Zeit um. I hab mia mei Gruam a scho ausgsuacht. Da hintn unta dea Buchn
da.«
    Eifrig kratzt Korbi mit seinem Rechen das Laub auf dem Weg zusammen.
Aber kaum hat er ein Häufchen zusammengekehrt, fährt ein kräftiger Windstoß
darüber und verweht das Laub wieder. Korbi lacht dröhnend und verstreut den
Rest mit seinem Rechen absichtlich in alle

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