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Nazigold

Nazigold

Titel: Nazigold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kohl
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verdammt
harten Brett und vertraute Berghammer flüsternd Dinge an, die diesen überhaupt
nichts angingen. Ihm war immer ganz elend dabei zumute, aber er tat es dennoch.
Vor der heiligen Kommunion musste man beichten, um rein und unschuldig und
würdig zu sein für den Empfang der heiligen Hostie, für die Speisung. Er war
damals ja so katholisch. Heute ärgert er sich darüber. Hinter dem Gitter aus
den gekreuzten dünnen Holzstreifen war es vollkommen dunkel. Dennoch konnte er dicht
am Gitter Berghammers Ohr erkennen. Als wäre es ganz begierig darauf, seine
lässlichen und schweren Sünden, sogar seine Todsünden zu erfahren. Alles hat er
natürlich nicht gestanden. Vor allem nicht das, was Berghammer mit seiner Stola
nun wirklich nichts anging. Das behielt er für sich. Dann aber hat er in einer
katholischen Gefühlswallung doch gebeichtet, dass er sich befleckt habe. Kaum
ausgesprochen, bereute er sein Geständnis.
    »Du hast dich selbst mit der Hand befleckt?«, wollte das dunkle Ohr
hinter dem Gitter genauer wissen. Auch das noch!
    Als Buße sollte er zehn Ave-Maria beten. Mit rotem Kopf verließ er
den Beichtstuhl und rannte aus der Kirche, ohne die Gebete gesprochen zu haben.
Davor hatte Berghammer sie im Religionsunterricht gewarnt: Wenn man die
Bußgebete nach einer Beichte nicht spricht, wird man dafür bestraft, durch eine
Krankheit, ein Unglück oder sonst etwas. Doch als er damals diese Buße nicht
befolgte, geschah gar nichts. Er wurde nicht krank, und es geschah auch kein
Unglück. Das machte ihn stutzig. Da kam sein Glaube schon damals ganz schön ins
Wanken.
    Was ihn besonders interessierte: Was beichteten die alten Frauen und
jungen Mädchen, die hinter den zugezogenen Vorhängen knieten und flüsterten?
Welche Geheimnisse verrieten sie dem neugierigen Berghammer? Das hätte er gern
gewusst.
    Auch heute ist das schwarze Gestühl bis auf die letzte Reihe
gefüllt, immer noch streng nach Geschlechtern getrennt: Auf der linken Seite
sitzen die Frauen und Mädchen, auf der rechten Seite die Männer, Burschen und
Buben. Die Orgel dröhnt, und die Gläubigen leiern eintönig ihre Litaneien
herunter, die wie Geräuschwogen durch das Kirchenschiff schwappen.
    Gropper steht ganz hinten unter der Empore und sucht die Bänke vor
ihm systematisch nach Bekannten ab. Vielleicht entdeckt er sogar Wilma irgendwo – wenn sie überhaupt noch hier wohnt. Doch an den Rücken und Hinterköpfen kann
er niemanden erkennen.
    Wieder wird ihm durch den Weihrauch leicht schwindelig. Wieder
braucht er frische Luft. Er wartet nicht das »Ite, missa est« ab, sondern geht
vor dem Schlusssegen.
    Nur wenige Schritte von der Kirche entfernt hält Petrus in einem
Freskogemälde am Neunerhaus einen goldenen Schlüssel in der Hand.
    Hätte ich nur diesen goldenen Schlüssel, um alle meine Probleme zu
lösen, wünscht sich Gropper.
    Die Lüftlmalerei gegenüber lädt ihn zum Essen ein. Über der
Gaststätte »Alpenglühen« bietet ein Mädchen einem Jungen einen Teller mit
leckeren Speisen an, während dieser aus einer Terrine genüsslich Suppe löffelt.
    Plötzlich hat Gropper Lust auf eine kräftige Suppe mit Leberknödeln
oder Griesnockerln. So wie sie seine Mutter gemacht hat. Wie eine Fata Morgana
sieht er einen frischen, dampfenden Schweinebraten vom Gschwandtner vor sich
und einen warmen, knusprigen Apfelstrudel mit Rosinen und Zimt, der Teig ganz
dünn ausgewalkt, daneben auf dem Teller Vanillesoße. Kurz entschlossen öffnet
er die Tür der Gaststätte und tritt ein.
    Die Gaststube ist erfüllt von stickiger Luft. Zigaretten- und
Pfeifenrauch haben nach Jahrzehnten den niedrigen Plafond dunkel gefärbt.
Obwohl draußen hell die Sonne scheint, dringt kaum Licht in die Wirtsstube,
sodass die Lampen sogar am Mittag brennen. Fliegenfänger hängen von ihrem
Gestänge bis fast auf die Tische herab. Die leicht gedrehten Klebestreifen sind
schwarz von Fliegen, viele zappeln noch. Über jedem Tisch hängt so eine
gelbliche Spirale, an der Massen von Fliegen kleben und mit ihren dünnen
Beinchen strampeln. Auf ihrem Bauernhof hatten sie auch diese süßlichen Fallen
über dem Tisch hängen. Wenn sie schwarz waren und keine Fliege mehr darauf
Platz hatte, warfen sie das ekelige Zeug in den Ofen. Da schoss dann eine
Stichflamme hoch und zischte.
    In einer Ecke der Wirtsstube hängt ein Kruzifix. Von den ans Holz
genagelten Füßen der Christusfigur baumelt ein verdorrter Blumenkranz herab.
Gleich daneben befindet sich an der Wand ein

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