Nazigold
Zulassung
hervor und vergleicht sie mit dem Wagen seiner Schwester: ein BMW 327, Baujahr 1937, zweitürig. Seitenwände rot,
vordere Kotflügel, Kühlerhaube und Dach schwarz. An der Kühlerfront zwei
schmale silberne Grills. Nur das Kennzeichen hat nun eine
Garmisch-Partenkirchener Nummer. Ansonsten ist es genau das gleiche Modell wie
der BMW von Heinrich Krüger. Zufall?
Wahrscheinlich. Es gibt ja eine Menge BMW s dieser
Bauart. Und doch ist es ein sehr merkwürdiger Zufall, findet Gropper. Warum
schenken die Amerikaner ihr überhaupt so ein teures Auto? Und woher haben die
Amis diesen Wagen? Hat ihn Theres gestern womöglich mit Krügers Wagen zum
Friedhof gefahren? Auf dem es dieses Grab mit der Aufschrift »Unbekannt« gibt.
Hatte man im Mai vergangenen Jahres dann vielleicht den früheren Besitzer des BMW aus Nafzigers Jauchegrube gezogen? Aber warum steht
dann nicht »Krüger« auf dem Grabstein? Und warum ist der Name auch in der
Bestattungsliste der Friedhofsverwaltung nicht eingetragen?
Zumindest die Frage, warum ihr die Amerikaner den BMW geschenkt haben, und eventuell, wie die Amis an
diesen Wagen gekommen sind, könnte ihm Theres beantworten. Aber er will sie
jetzt nicht überfallen und auskundschaften. Zuerst will er in den nächsten
Tagen mehr über diesen Heinrich Krüger erfahren.
***
Seltsames Geraschel in der Nacht. Gropper schreckt aus dem
Schlaf hoch. Da ist etwas in seinem Zimmer. Benommen will er Licht machen,
tastet nach der Nachttischlampe und drückt den Schalter. Kein Licht. Da fällt
ihm ein, dass er schon gestern vergessen hat, dass die Glühbirne fehlt. Hastig
greift er im Dunkeln nach seiner Taschenlampe, richtet sich auf und leuchtet
den Raum ab. Als der Lichtstrahl die Tür erfasst, wird sie in dieser Sekunde
von außen zugezogen. Da ist er mit einem Schlag hellwach.
Er springt aus dem Bett, stolpert zur Tür, reißt sie auf, leuchtet
durch den Gang. Niemand zu sehen. Im Schlafanzug geht er bis zur Treppe,
leuchtet hinab. Nichts zu hören, nichts zu sehen.
Für einen Moment überlegt er, ob er das Geraschel und das Zuziehen
der Tür nicht geträumt hat. Doch als er in das Zimmer zurückkehrt, sieht er,
dass die Schublade der Kommode halb herausgezogen ist. Was suchte dieser Kerl?
Oder war es eine Frau? Jedenfalls eine sehr flinke Person. So schnell und so
geräuschlos, wie sie weg war.
Aber wie ist dieser Mensch überhaupt hereingekommen? Gropper hatte
die Tür abgeschlossen und den Schlüssel an den Nagel neben dem Türrahmen
gehängt. Er ärgert sich, dass er den Schlüssel nicht im Schloss stecken
gelassen hat.
Gestern das Herumschnüffeln, während er weg war, und jetzt dieses
Eindringen, während er im Zimmer schlief. Was steckt dahinter? Und wie soll das
weitergehen? Er muss raus aus diesem Loch! Er muss in eine andere Pension.
In der Schublade fehlt nichts. Er hat darin nur ein paar
Toilettensachen verstaut, Rasierzeug, Handtuch, Zahnputzkram, Niveacreme. Auch
im Schrank fehlt nichts.
Als er sich wieder ins Bett legt, entdeckt er, dass auch die
Schublade des Nachttisches halb geöffnet ist. Es hat also jemand, während er
schlief, direkt neben seinem Bett gestanden! Gropper rieselt es kalt über den
Rücken. Man hätte ihn im Schlaf erschlagen können.
Auch aus der Nachttischschublade ist nichts verschwunden. Die
neueste Quick, die er vor seiner Abreise im Gautinger Bahnhof gekauft hatte,
und das Fahrplanheft für die Züge zwischen München und Mittenwald liegen noch
da. Seine Armbanduhr legt er auf Reisen auch nachts grundsätzlich nicht ab. Und
alle wichtigen Dokumente hat er in seiner schmalen Aktentasche verstaut. Die
hat er unter sein Kopfkissen gelegt. Morgen wird er seine Tasche mit den
Unterlagen bei Buchner deponieren.
Da fällt ihm siedend heiß die andere Schublade in der Kommode ein,
die er abgeschlossen hat. Er holt seine Aktentasche unter dem Kopfkissen
hervor, nimmt daraus den Schlüssel für diese Schublade und schließt sie auf.
Der Zellstoffsack mit dem Aufdruck »Deutsche Reichsbank Berlin« ist
verschwunden! Die Schublade war verschlossen, und trotzdem ist der Sack weg.
Wie ist das möglich? Ihm wird unheimlich zumute.
In seinem Kopf fahren die Gedanken Karussell: die Goldmünze in
Korbis Hand, das Grab mit dem Unbekannten, den man aus Nafzigers Jauchegrube
gezogen hat, das Durchsuchen seines Zimmers während seiner Abwesenheit, der
Sack mit dem Aufdruck »Deutsche Reichsbank Berlin« in der Waschküche der
verstorbenen Mutter von Nafziger,
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