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Nazigold

Nazigold

Titel: Nazigold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kohl
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erfahren, muss er wohl oder übel mit ihm reden.
    »Wann hast du Rosi zuletzt gesehen?«, fragt Gropper.
    Kreszenz lässt den Kopf sinken und starrt wieder auf die
Tischplatte. Nach langer Zeit bringt sie stockend hervor: »Am 29. April.
Vorigs Jahr. Ein Sonntag. Da ist es plötzlich kalt geworden. Als Rosi den
Männern das Essen raufgebracht hat zum Steinriegel.«
    »Wieso Essen zum Steinriegel?«
    »Das muss dir der Xaver sagn, wenn er kommt. Damit will ich nichts
zu tun habn. Aber nachdem sie da rauf ist, ist sie nicht wiedergekommn.« Mit
der Küchenschürze wischt sie sich die Tränen aus dem Gesicht. »An dem Tag hab
ich meine Rosi das letzte Mal gesehn. Den ganzn Abend hab ich auf sie gewartet.
Wo bleibt die Rosi? Wo bleibt die Rosi? Es ist dunkel wordn. Ich hab die
Nachbarn gefragt: ›Habt ihr die Rosi gesehn?‹ Keiner hat sie gesehn. Die ganze
Nacht hab ich auf sie gewartet. Kein Aug hab ich zugetan. Die ganze Nacht hab
ich nicht geschlafn. Am nächstn Tag bin ich sofort nach Mittenwald rein. Da
waren die Amerikaner schon in Garmisch. Ein Nachbar hat mich mit seinem Auto
zur Gendarmerie gefahrn. Ich wollt eine Vermisstenanzeige aufgebn. Aber da war nur
Chaos. Der Buchner hat schon alles zusammengepackt, wollte abhaun vor den Amis.
Hat alle Akten verbrannt im Hof. In einem riesign Feuer. ›Vermisstenanzeige?‹,
hat er gefragt und gelacht. ›Die Amis stehn vor Mittenwald, und da willst du
eine Vermisstenanzeige aufgebn? Hast wohl ’n Kuckuck! Wir müssn weg. Morgen
sind die Amis hier. Kannst bei denen deine Vermisstenanzeige aufgebn.‹ Da bin
ich zum Sattler, dem Ortsgruppenleiter. Auch der war gerade daran, seine Akten
zu verbrennen. Auch er hat mich weggeschickt. Ich also wieder zurück. Da hör
ich im Radio: Der Hitler ist tot. Herrgottsakra, hab ich mir denkt, endlich ist
das Misthakel weg. Aber meine Rosi war immer noch weg.«
    Mit der Hand wischt sie auf dem blauen Wachstuch hin und her. Völlig
mechanisch und ohne Sinn, immer wieder hin und her. Gropper wagt nicht, seine
Hand auf ihre zu legen.
    »Am nächstn Tag bin ich wieder nach Mittenwald. Zu den Amerikanern.
Mit dem Radl, zwanzig Kilometer. Autos habn ja nimmer fahrn dürfn, das habn die
Amis ja verboten. Da hat’s mit einem Mal geschneit wie verrückt. Am 1. Mai!
Und saukalt war’s plötzlich. Dicker Schnee auf blühendn Obstbäumn, und ich mit
dem Radl unterwegs nach Mittenwald. Da kamen mir schon die Wehrmachtssoldatn
entgegen und die SS . Alle auf der Flucht. Die
wolltn mir mein Radl wegnehmn. Es mir aus der Hand reißn. Ich hab nur noch
zurückgeschlagn. Und Flüchtlinge! Massenweis. Ich bin gar nicht vorankommn auf
der Straß, jeder wollt mein Radl haben. Als ich endlich in Mittenwald ankam,
wehte schon die Amifahne auf dem Dach der Gendarmerie. Die habn aber nicht
verstandn, was ich wollt. ›Go home‹, habn sie gesagt. ›Go home.‹ Da war wieder
nix mit der Vermisstenanzeige. Am Tag drauf haben die Amis hier in der Kuchl
den Xaver und den Kilian verhaft und wegbracht.«
    Kreszenz sieht Gropper mit unendlich traurigen Augen an. »Immer
wieder hab ich hier in Einsiedl die Leute gefragt. Aber keiner hat meine Rosi
gesehn. Die Gebirgsjager wollt ich auch fragn. Aber mit einem Schlag warn sie
alle weg. Auch der Doktor ist nicht mehr gekommn. Der war bis zu dem Tag, als
Rosi verschwundn ist, fast jedn Tag da. Aber dann war auch er plötzlich weg.«
    »Ein Arzt hat euch besucht? War denn jemand krank?«
    »Kein Arzt. SS . Obersturmbannführer
Dr. Friedrich Berger. War ein hohes Tier in Berlin. Früher war er mit
seiner nettn Frau und den liebn Kindern oft im Urlaub hier. In den dreißiger
Jahrn und auch Anfang der Vierziger. Da hat die Familie immer bei uns im
Forsthaus logiert. Wir hattn doch damals Fremdenzimmer, um was dazuzuverdien.
Der Berger ist oft mit seiner Familie über den See gerudert, hinüber zur Insel
Sassau. Sie hatten auch ein schönes Auto. Einen BMW .«
    Gropper hat noch das Erlebnis von Strasser im Ohr: der BMW beim Bootshaus. Der Mord an Rosi. Das Verbrennen
der SS -Uniform. Der Austausch der Kennzeichen.
Gropper beginnt, etwas zu ahnen.
    »Der Herr Doktor war immer gern bei uns. War auch immer großzügig
beim Bezahln. Ich hab mich nie getraut, ihn mit Namen anzuredn. Immer nur Herr
Doktor. Gefreut hab ich mich, ihn wiederzusehn, wie er Ende April plötzlich
wieder da war.«
    »Warum war er Ende April plötzlich wieder da? Doch wohl nicht, um
Urlaub zu machen?«, fragt Gropper misstrauisch.
    »Mit dieser

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