Nazigold
denkt.«
»Wie geht’s dir?«, erkundigt sich Gropper noch einmal.
»Ein Jahr war ich eingsperrt«, beklagt sich Kilian. »Wenn ich den
Kerl erwisch, der mich hinghängt hat, den bring ich um. Den Sauhund schlag ich
tot. Ein Jahr für nichts! Der Nafziger war schon nach zwei Tag schon wieder
draußn. Wie ist das möglich? Das ist doch nicht mit rechtn Dingn zugangn! Nicht
nur der Nafziger ist so schnell wieder entlassn wordn. Auch andre Internierte,
die unter Sattler hohe Funktion ghabt hattn. Warum sind die so schnell
freiglassn wordn und net wir, der Feigl und ich? Sogar mein Hirschfänger habn
sie mir abgnomm.«
»Der Besitz von Stichwaffen ist verboten«, versucht Gropper zu
erklären.
»Papperlapapp! Hirschfänger ist bei uns Tradition. Wir lassn uns
doch die Tradition net wegnehm! Und von den Amis schon gar net.«
Sein Hirschfänger, das war sein ganzer Stolz. Schon als Schulbub
besaß Jörg ein einfaches, aber sehr scharfes Messer, das er in einem
Lederfutteral seitlich am Gürtel trug. Um sich vor den Schulkameraden wichtig
zu machen, schleuderte er es im Schulhof zum Schrecken und zur Bewunderung der
Umstehenden manchmal in den Stamm eines Kastanienbaumes, wo es sirrend und
vibrierend stecken blieb. Voller Triumph zog er dann sein Messer heraus und
warf es wieder und wieder in den Stamm, bis Hauptlehrer Maier kam, ihn streng
verwarnte, ihm die gefährliche Waffe abnahm und sie ihm erst wieder nach dem
Unterrichtsschluss zurückgab. Das war für den kleinen Jörg eine tiefe Kränkung.
»Mein Fernglas habn die Amis auch beschlagnahmt. Eine Frechheit. Und
meine Jagdflinte! So was gab’s bei den Nazis net. Scheißsieger.«
»Die Flinte wirst du vorerst nicht wiederbekommen.«
Kilian schaut verärgert, doch nach einer Pause gesteht er ein: »Was
soll ich auch mit einer Flinte? Kann doch mit dem linkn Arm net schießn.« Er
blickt zu Boden. »Wenn ich jetzt nimmer schießn kann, bin ich kein richtiger
Kerl mehr. Das ist für mich kein Lebn.« Im selben Atemzug fragt er plötzlich:
»Warum bist du eigentlich hier? Wegn Nafziger?«
Gropper bestätigt seine Vermutung und erklärt, dass ihn die Münchner
Kripo geschickt habe.
»So, so«, bemerkt Kilian abschätzig. »Dann bist du also jetzt
Spion.«
»Kommissar«, korrigiert Gropper.
»Das ist dasselbe.«
Gropper lässt es dabei.
»Das habn wir gern«, giftet Kilian. »Abhaun in die Schweiz, während
wir hier den Kopf hinhaltn müssn. Wärn beinah verreckt an der Front. Und jetzt,
wo alls vorbei ist, kommst du daher und schnüffelst herum.«
Gropper überhört auch diese bissige Bemerkung. Er lässt sich nicht
provozieren und schlägt einen versöhnlich Ton an: »Jörg, es ist ein Mord
geschehen, und den muss ich aufklären. Das verstehst du doch. Ich muss
herausfinden, wer den Nafziger erschossen hat.«
»Da kann ich dir gar nichts sagn. Bin ja erst vor zwei Tag aus dem
Lager gekommn.«
»Wie war das, als du aus dem Lager kamst?«
Kilian erzählt ihm die gleiche Geschichte, die Gropper gestern von
Feigl gehört hat, und endet mit dem Satz: »Am End habn wir erfahren, dass er
schon seit zwei Tagen mausetot ist, der Hund, der verreckte.«
»Was meinst du, wer könnte ihn erschossen haben?«
Kilian sieht Gropper direkt ins Gesicht. »Da gibt’s nur einen.«
»Wen?«
»Den Berger.«
»Warum der Berger?«
»Weil ihm der Nafziger das Gold weggeschnappt hat.«
»Und wo ist der Berger jetzt?«
»Das möchte ich auch gern wissen.«
Beim Abschied ist Kilian auffallend freundlich zu Gropper. So hat er
ihn selten erlebt.
Als Gropper wieder vor Kilians Haus steht, ist er ratlos. Berger
also soll den Nafziger umgebracht haben. So behaupten es Feigl und Kilian.
Möglich wär’s, er hat ja wegen des Goldes auch schon die kleine Rosi auf dem
Gewissen. Aber da gibt es diese vier Schuhabdrücke auf dem Garagendach. Demnach
wäre Berger nur Mittäter, einer von vieren. Es könnte wie vermutet Lucretia mit
dabei gewesen sein. Vielleicht gehörte auch ein Amerikaner, der Nafziger aus
geschäftlichen Gründen loswerden wollte, zu dem Quartett. Wo aber ist Berger
jetzt? Fragen, Fragen und überall Nebel. Mehr und mehr hat Gropper das Gefühl,
als stünde er nicht auf festem Boden. Er muss an seinen Traum denken. Er irrt
in einer fremden Landschaft umher, die sich ständig ändert, in der Hand eine Karte,
auf der sich die Einzeichnungen ebenfalls fortlaufend verschieben. Wie immer er
die Karte dreht, stets zeigt sie andere Wege an. Und das Päckchen, das er
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