Nazigold
Brutgänge der
Borkenkäfer gezeigt. Die Brutbilder hatten ausgesehen wie das Gerippe von Laub
oder wie sonderbare Schriftzeichen. Gropper glaubte damals, es wäre eine
Geheimschrift, rätselhafte Botschaften der Borkenkäfer.
Oberförster Feigl hatte Lockfallen aufgestellt, schmale Kästen mit
duftenden Schlitzen. Die Borkenkäfer werden davon angelockt und fallen durch
die Öffnungen hinein. Schwupp. All das hatte Gropper fasziniert und ihn in
seinem Wunsch bekräftigt, später auch Förster zu werden wie Xavers Vater.
Als sie nach ihrem Waldspaziergang in den Ort zurückkehrten, kam ihnen
an dieser Straßengabelung mit dem Kruzifix eine Gruppe junger Burschen
entgegen. Sie trugen diese neuen braunen Hemden mit dem Lederriemen quer über
der Brust. Weil ihnen diese Rabauken wegen mehrerer Wirtshausschlägereien mit
Andersdenkenden bekannt waren, wollten sie ihnen ausweichen. Doch prompt
versperrten die fünf Lackl ihnen breitbeinig den Weg, während ein sechster noch
an den Pfahl des Kruzifixes brunzte, das Wasser abschüttelte, seine Apparatur
in die Hose stopfte und sein Hosentürl zuknöpfte. Herausfordernd stellten die
Burschen sich vor ihnen auf und zeigten provozierend ihre neuen Parteiabzeichen
an den Hemden.
Ihr Anführer war der Lechner Matthias, der Schreinergeselle vom Ort.
Er riss den Arm hoch und krähte: »Heil Hitler!« Im selben Moment stießen auch
die anderen ihre gestreckten Arme in die Luft und brüllten: »Heil Hitler!« Der
Lechner und seine Braunhemden erwarteten nun auch vom Oberförster und von ihm
diesen neuen Gruß, doch Feigl sagte nur ruhig: »Grüaß Good«, und ließ seine
Hände in seinem Lodenmantel stecken.
Da schob Lechner seine braune Kappe nach hinten und trat noch näher
an Feigl heran.
»Hias, mach koane Gschichten jetz«, sagte der beschwichtigend. »Lass
uns durch.«
Doch Lechner rührte sich nicht und starrte dem Oberförster giftig
ins Gesicht. »Woaßt du net, dass ma jetz mit dem neun deutschn Gruaß grüaßn
muaß?«
»Von dia lass i mia koane Vorschriftn net machn, von dia scho glei
ganet«, gab Ludwig Feigl zurück.
Auch Lechners Freunde traten nun näher; immer enger zogen die
Braunhemden den Kreis um Feigl und ihn. »Also los jetz, was is?«, forderte
Lechner barsch.
Ludwig Feigl wies auf das Wegkreuz mit dem gekreuzigten Christus.
»Solang dea da droben hängt, sag i ›Grüaß Good‹. Und selbst wenn eier Fihrer
mal so dahängt am Kreiz, sag i imma no net eier ›Heil Hitler‹. Dassas wisst!«
Damit wollte er die Gruppe beiseiteschieben und mit Gropper
weitergehen. Aber nun brach der Zorn der Bande los. Sie fielen über sie her und
schlugen auf sie ein. Sosehr sie sich auch wehrten, es half nichts, die Bengel
waren in der Überzahl. Sogar als sie schon auf dem Kies lagen, traten sie noch
mit ihren Stiefeln auf sie ein. Sie bluteten aus der Nase und aus den
aufgeschlagenen Lippen. Die neuen braunen Herren ließen sie liegen und zogen
grölend davon. Gropper raffte sich auf, humpelte zum nahe gelegenen Gasthaus
Mühlhauser und rief von dort die Gendarmerie in Mittenwald an, um Buchner zu
Hilfe zu holen. Schon damals war der dort Gendarm.
Der Mühlhauser-Wirt wischte immer wieder seinen Schanktisch ab und
schüttelte nur den Kopf. »So weit sama scho komma. De Saulackl, de dreckatn.
Mitm Wogscheitl müasst ma denen oans übazihan.«
Gropper humpelte zurück zu Feigl, der immer noch blutend auf dem
Kies lag. Erst viel später traf Buchner auf seinem Fahrrad an der Wegkreuzung
ein. Und noch später wurde Feigl mit einem Krankenwagen in das Mittenwalder
Krankenhaus gebracht.
Am nächsten Tag stand im Kreisblatt, der Oberförster Ludwig Feigl
und der junge Tagelöhner Martin Gropper hätten den Führer der SA -Gruppe Mittenwald, Matthias Lechner, beleidigt und
niedergeschlagen. Die Ortsgruppe Mittenwald werde gegen die beiden angemessene
Strafmaßnahmen einleiten. Und tatsächlich traf den Oberförster Feigl ein Jahr
später eine Strafmaßnahme, doch aus einem anderen Grund. Er hatte seinen Sohn
Xaver, der freiwillig in die NSDAP eingetreten
war, ohne dessen Wissen aus der Mitgliederliste streichen lassen. Dafür entzog
man ihm sein Amt und setzte den parteitreuen jungen Xaver als neuen Förster
ein. Das Verfahren gegen Gropper indes wurde eingestellt, weil er ein Jahr
später Parteimitglied wurde, um sich für den Polizeidienst zu bewerben.
Buchner unternahm nichts gegen die braunen Schläger. Er war
verheiratet, Vater von zwei Kindern und wollte seine
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