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Nazigold

Nazigold

Titel: Nazigold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kohl
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»Hello«, sagt er freundlich.
    Gropper möchte Jörg Kilian sprechen. Der Soldat grinst breit, seine
weißen Zähne funkeln in seinem dunklen Gesicht. »Mister Jörg is not at home.«
    »Wann kommt er wieder?«
    Der GI zuckt mit den Schultern.
»Later«, sagt er und grinst wieder. »Later.«
    Gropper bedankt sich und geht. Er will später wiederkommen und die
Zeit bis dahin nutzen, um in der Bahnhofswirtschaft Luise anzurufen.
    Als Gropper die Wirtschaft betritt, sieht er vor dem einzigen
Fernsprecher in einer Nische der Gaststätte eine Menge Leute stehen, die alle
telefonieren wollen. Er überlegt, ob er so lange warten soll, reiht sich aber
schließlich ein. Es geht und geht nicht voran, immer wieder schaut er auf die
Uhr. Am Ende lässt er den Anruf sein und geht zurück zu Kilians Haus.
    Wieder zieht er den Glockengriff. Dieses Mal öffnet ihm ein anderer
schwarzer  GI . Noch immer ist Kilian nicht zu
Hause.
    Oder lässt er sich verleugnen?, überlegt Gropper. Will er ihn nicht
sehen? Vielleicht kneift er vor einem Treffen.

9
    Solang g’orgelt wird, is de Kirch net
aus.
    Als Gropper am Vormittag des nächsten Tages zum dritten Mal den
Glockengriff zieht, hat er Glück. Endlich steht Kilian vor ihm. Er ist von
Groppers Besuch nicht überrascht, zögert aber, ihn eintreten zu lassen.
    Das letzte Mal haben sie sich vor dem Gebirgsjäger-Lokal »Edelweiß«
am damaligen Adolf-Hitler-Platz gesehen. Das war 1939. Gropper stand kurz vor
seiner Abreise in die Schweiz und Kilian kurz vor der Einberufung an die Front
nach Polen.
    Er erinnert sich noch genau an diese Begegnung. Kilian wollte ihn
mal wieder überreden, doch endlich mit in dieses Lokal zu kommen. Die Kameraden
darin würden ihm sicher gut gefallen. Gropper schüttelte nur den Kopf, und
Kilian ließ die Lokaltür hinter sich zufallen.
    Kilian ist immer noch ein kleines, schmales Bürschlein, wie früher.
Obwohl er ein Jahr älter ist als Gropper, hat er immer noch dieses weiche
Gesicht mit den kindlichen Augen. Unverändert auch sein sorgfältig gezogener
Poposcheitel, der sein Haar in zwei Hälften teilt. Er trägt ein kragenloses
blau kariertes Baumwollhemd, einen gestrickten Janker mit Hirschhornknöpfen und
Kniebundhosen. Als Gropper die rechte Hand ausstreckt, um ihn zu begrüßen,
reicht Kilian ihm die linke. Sie ist ganz weich, wie eine Kinderhand.
    Erst jetzt erkennt Gropper, dass das rechte Ärmeltuch seines Jankers
leer ist und schlaff in seiner Hosentasche steckt. Er hat den rechten Arm
verloren.
    »Den hab ich in Serbien glassn. Habn die Scheißpartisan als Beute
mitgnomm«, kommentiert Kilian flapsig. »Jetzt bin ich ein Amputierter.«
    »Kann ich reinkommen?«
    »Wenn’s sein muss.«
    Kilian geht voran und führt ihn in die Wohnstube. Gropper kann sich
noch an die niedrige Holzdecke mit den dunklen eingelegten Kassetten erinnern.
Als Schulbub war er oft hier, um mit Kilian Hausaufgaben zu machen oder ihn zum
Bolzen auf dem Sportplatz abzuholen. Auch das alte, in der Mitte durchgehockte
Kanapee mit den bunten Stoffzotteln an den Seiten erkennt er wieder, und
unverändert hängen darüber an der Wand die vielen Geweihe in allen Größen. Die
mochte Gropper schon damals nicht.
    Verdruckst steht Kilian in seiner eigenen Wohnstube, als sei er hier
fremd. Schon als Bub war er so verklemmt. Er war der Kleinste von allen, galt
als Schwächling, als Feigling, und wurde nie ernst genommen. Um sich dagegen zu
wehren, fing er oft ganz plötzlich und scheinbar grundlos auf dem Schulhof
Prügeleien an. Dabei wurde er am Ende meistens schrecklich zusammengehauen. Das
wiederum fachte seinen Jähzorn an. Dann schlug er bei der nächsten Gelegenheit
wieder zu, immer von hinten. Mehr und mehr mieden ihn die Klassenkameraden und
gingen ihm aus dem Weg. Das wurmte den kleinen Jörg noch mehr, und er sann auf
Rache.
    Auch jetzt hat er Gropper gegenüber diese Haltung zwischen
Unbeholfenheit und unterdrückter Aggressivität. Er weiß nicht, wie er sich ihm
gegenüber verhalten soll, und schweigt. Um das Schweigen zu brechen, fragt
Gropper: »Wie geht es dir?«
    »Und du?«, fragt Kilian zurück.
    Das war schon immer seine Methode, um auf Fragen nicht antworten zu
müssen. Er stellt einfach eine Gegenfrage. Das hat Gropper schon damals gefuchst.
    Wieder schweigen beide. Gropper sieht sich in der Wohnstube um. »Ist
alles noch so wie früher«, sagt er, um ein Gespräch in Gang zu bringen.
    »Net alles«, erwidert Kilian knapp. Und schon schweigt er wieder.
    Was

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