Neal Asher - Skinner-Der blaue Tod
verbliebenen Augen.
»Vrell, du bist jetzt ein männlicher Erwachsener und damit für mich nicht mehr von Nutzen. Du bist eher ein Hemmschuh und eine Gefahr. Sobald ich also deinen Standort erreicht und mit kontraterrenen Sprengsätzen überschüttet habe, um die Alten Kapitäne zu vernichten, wird dein Tod eine zusätzliche Vergünstigung sein.«
»Aber Vater …«
Ebulan schaltete ab, und Vrell starrte den Kommunikator eine ganze Weile lang an, ehe sich verspätet die Überlebensinstinkte einschalteten. Er stand auf und machte sich bereit, den Strand hinunter ins Meer zu stürmen. Beim Anblick von 20 Ruderbooten jedoch, die Kurs auf das Ufer hielten, plumpste er auf den Bauch zurück wie ein zu Boden fallender Teller. Er sah sich an, wie die Menschen an Land gingen, während er langsam in den Wald zurückwich und sich dabei fragte, ob der Boden dort hinten immer noch irgendwo weich genug war, um sich einzugraben.
Mit Hilfe der Schwerlastklaue und der wenigen verbliebenen Beine kroch Sniper zu der Prador-Kriegsdrohne hinüber, kletterte hinauf und blickte in die weite Spalte, durch die er sie ausgebrannt hatte. Der Kern der Drohne war nur noch ein Brei aus Prador-Hirngewebe, Isolationsmaterial und optischen Nervenverbindungen. Am Grund der Panzerschale hatte sich eine Pfütze aus der Bioflüssigkeit gebildet, in der das Gehirn schockgefroren gewesen war. Die Drohne war zweifellos tot, aber Sniper stellte interessiert fest, dass viele ihrer Systeme gar nicht übermäßig beschädigt waren. Er griff mit der Präzisionskralle hinein, packte eines der optischen Kabel und zog es heran, um es genauer zu betrachten. Das Interface war eine einfache elektrochemische Angelegenheit, wie er sie im Verlauf des weit zurückliegenden Krieges häufig gesehen hatte. Da er oft beschädigt worden war, und das weitab aller Polis-Einrichtungen, hatte er Prador-Technik geplündert, um sich damit zu reparieren. Diesmal herrschten nicht ganz die gleichen Umstände, aber er wollte nicht einfach auf diesem Atoll gestrandet bleiben und warten, bis ihn irgendwann eine Sub-KI des Hüters fand.
Sniper schob sich von der Schale des Pradors zurück und klappte durch einen internen Befehl die untere Kopfplatte auf. Die Platte klemmte unterwegs, denn sie war verbeult und stellenweise festgeschweißt durch Spritzer geschmolzenen Metalls von den fehlenden Beinen, also packte er sie mit der schweren Klaue und riss sie einfach weg, um seine HalbleiterInnereien freizulegen. Er griff erneut in die Pradorschale, zog einen Haufen optischer Kabel hervor und stöpselte sie nacheinander in ein Interface, das er sich vor 700 Jahren eingebaut hatte. Nachdem er zehn Minuten lang optische Kabel gewechselt und die Antwortsignale in Maschinensprache sortiert hatte, drang ein hohes Jaulen aus der Pradorschale, und sie stieg ein paar Zentimeter in die Luft, ehe sie wieder zu Boden klapperte.
»Scheiße«, sagte Sniper und gab den internen Befehl, die unteren Platten seines Körpers zu öffnen und die dicht gepackte Maschinerie freizulegen, die seine Lebensfunktionen enthielt.
Später stieß eine vertieft in die Pradorschale eingebaute Düse kurz eine Fusionsflamme hervor, unter deren Impuls sich die Schale beinahe auf die alte Kriegsdrohne gewalzt hätte. Sniper hatte jedoch inzwischen den Kopf fast ganz im toten Feind stecken und bemerkte den Vorgang kaum, während er vor sich hin arbeitete, Stücke verformten Metalls und verbrannte Komponenten wegwarf und sie durch Teile ersetzte, die er aus dem eigenen Körper entfernt hatte.
»Aufwachen!«, kommandierte der Söldner namens Shib.
Erlin setzte sich rasch auf und rechnete schon fast damit, einen Tritt in die Seite zu bekommen. Anne war schon auf, hockte gelassen neben der Asche des Lagerfeuers und arbeitete mit den Handgelenken nach wie vor an den Fesseln, den Blick fest auf die Waffen der Batianer gerichtet.
»Ich muss Wasser lassen«, erklärte Erlin mit Entschiedenheit.
Shib blickte auf sie herab. »Na ja, dann mach es.« Seine Stimme klang wässrig und verzerrt durch das Loch in der Wange und den Verband auf dem halben Gesicht. Von allen schien es ihm am schlechtesten zu gehen, dachte Erlin. Irgendwann unterwegs waren ihm auch ein paar Finger abhanden gekommen, wie sie bemerkt hatte. Sie stand auf und sah sich nach etwas um, wohinter sie sich hocken konnte: einen Baum oder Stein. Als sie Anstalten traf, zum nächsten Baum hinüberzugehen, drückte ihr Shib die Waffe in den Bauch.
»Ich sagte: Mach es.
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