Neal Asher - Skinner-Der blaue Tod
Ich habe nicht gesagt, du solltest irgendwohin gehen«, erklärte er.
Erlin starrte ihn an und wandte sich dann ab. Er hatte eindeutig Angst, und diese Angst machte ihn bösartig. Sie musste es sich also verkneifen. Sie wollte verdammt sein, wenn sie vor seinen Augen pinkelte.
»Los, sie sollen weitergehen!«, schrie Frisk, die gerade zurück auf den Lagerplatz getrabt kam.
Shib versetzte beiden Gefangenen Stöße in den Rücken, und sie folgten Frisk durch einen Bestand von Birnstockbäumen. Zum Glück regnete es keine Blutegel. Hinter den Bäumen wartete Svan, die Waffe auf die Schulter gelehnt.
»Weiter oben scheint es leichter zu gehen«, stellte die Söldnerin fest. »Weniger Bäume und weniger Scheiße auf dem Boden. Sobald wir oben sind, müssten wir freie Sicht haben.«
»Dann gehen wir«, sagte Frisk mit leicht irrem Gesicht.
Also übernahm Svan die Führung, dicht gefolgt von Frisk, während Shib wieder den Knufftrick mit dem Lauf seiner Waffe aufführte. Trübsinnig dachte sich Erlin, dass es schon schlimm genug war, den Tod zu erwarten – war es dann nötig, sie fortlaufend auch noch zu demütigen?
Aus dichtem Wald gelangten sie auf anderes Gelände, das steinig war und überwuchert von Rebengewächsen. Die Birnstöcke und anderen seltsamen Baumsorten kamen hier in der geringeren Dichte vor, wie sie für Laubwald typisch war.
Die Blutegel auf den Ästen zeigten die gleiche Färbung wie ihre küstennäheren Artgenossen. Einzelne Stinkphalluspflanzen wuchsen hier, und der eine oder andere Lungenvogel, der von der Gruppe aufgeschreckt wurde, war kleiner als die bekannte Variante und gefärbt wie schimmeliges Brot. Im Weitergehen grübelte Erlin vor sich hin und gelangte zu dem Entschluss, keine weitere Entwürdigung zu dulden. Sie war hergekommen, um Gründe zum Weiterleben zu suchen – um herauszufinden, wie Ambel das angestellt hatte. Sie war hergekommen, um zu verstehen, dass das nackte Leben nicht genug war. Sie wollte verdammt sein, falls sie alles andere nur für das nackte Leben aufgab. Jedenfalls glaubte sie Anzeichen zu erkennen, dass dieser zunehmend verängstigte Söldner manipuliert werden konnte. Sie blieb abrupt stehen und sah ihn finster an.
»Ich gehe dort hinüber, um hinter diesen Felsen Wasser zu lassen.« Sie deutete auf eine Gruppe rankenüberwucherter Brocken. »Sie können mich umbringen, falls Sie müssen. Das überlasse ich Ihnen.«
Sie drehte sich auf den Fersen um und ging mit großen Schritten zu den Felsen hinüber. Sie hatte eigentlich erwartet, Angst zu bekommen, empfand aber nur eine seltsame Befreiung. Shib sagte nichts, und Erlin spürte, dass die anderen stehen geblieben waren und sie anstarrten.
Sobald sie außer Sicht war, kämpfte sie darum, den seitlichen Verschluss der Hose zu öffnen. Es wäre zu peinlich gewesen, jemanden um Hilfe zu bitten. Sie drehte sich so stark, dass sie schon glaubte, sich die Schulter zu verstauchen, kam aber mit den gefesselten Händen schließlich doch an den Verschluss. Nach der wohltuenden Erleichterung bemühte sie sich, die Hose wieder hochzuziehen, nur um dann festzustellen, dass sie sie nicht zubekam. Verdammt, sie musste zurückgehen und Anne darum bitten!
Als sie hinter den Felsbrocken hervortrat, sah sie, dass die Gruppe enger zusammenstand, Anne auf den Knien lag und die anderen sich vor ihr aufgebaut hatten. Erlin ging hinüber, blieb stehen und wartete auf irgendeinen Tadel. Frisk starrte sie jedoch nur lange an und zog dann den Laser aus dem Gürtel. Erlin sah, wie die beiden Söldner Blicke wechselten.
»Du bist Hooper«, sagte Frisk. »Du hast das Virus.«
Erlin nickte.
Frisk fuhr fort: »Ich habe entschieden, dass ich nur noch eine Geisel brauche. Als Nächstes werde ich dich mit dem Laser von den Füßen aufwärts niederbrennen. Es wird ein paar Stunden dauern, aber ich werde jede Minute genießen.«
In diesem Augenblick passierte alles gleichzeitig. Anne schoss auf die Füße, krachte voll in Frisk hinein und schlug ihr den Laser aus der Hand, verlor jedoch zusammen mit ihr das Gleichgewicht. Ein riesiger Schatten fiel auf Erlin, und die beiden Söldner wichen zurück – Svan vorsichtig, aber gefasst, Shib mit blankem Entsetzen im verstümmelten Gesicht. Etwas stieß in der Nähe mit gewaltigem Atemvolumen ein zischendes Knurren aus.
Frisk fand das Gleichgewicht wieder, brachte Anne zu Fall und trat ihr seitlich heftig an den Kopf, als sie wieder aufzustehen versuchte. Dann blickte Frisk auf.
»Jay,
Weitere Kostenlose Bücher