Neandermord
gefährlich, jetzt hierherzukommen. Wir müssen uns woanders treffen.«
»Ich kann mich ja in irgendeinem Heuschober im Bergischen Land verkriechen«, schlug ich vor. »Das kann sehr romantisch sein. Das heißt - allein wahrscheinlich nicht so sehr.«
»Ich habe eine Idee«, sagte Jutta. »Meinst du, du schaffst es, vierzig Kilometer zu fahren, ohne dass dich die Polizei schnappt?«
»Ich werde es versuchen.«
»Obwohl… Ich hol dich besser ab. Wo bist du jetzt?«
»Düsseldorf.« Ich ging zur nächsten Straßenecke und gab Jutta die genaue Adresse durch. Das war jetzt auch egal.
»Bleib, wo du bist, und lass dich nicht erwischen. Ich komme.«
*
Ich blieb in der Verborgenheit der Nebenstraßen. Ab und zu kamen Passanten vorbei, dann legte ich einen Schritt zu und marschierte frisch drauflos, als hätte ich ein Ziel. Hätte ich unschlüssig herumgestanden, wäre ich aufgefallen. So aber beachtete mich niemand.
Ich hatte gerade zum dritten Mal auf die Uhr gesehen, da donnerte von irgendwoher ein PS-starker Motor heran. Ein Motorrad stoppte an der Kölner Landstraße.
Der Fahrer stellte das Gewummer ab und stieg von dem Fahrzeug. Der Fahrer war eine Fahrerin. Jutta.
»Ich wusste gar nicht, dass du die Harley noch hast«, sagte ich.
Sie hatte den Helm abgenommen und schüttelte ihr Haar. »Sie war eine Weile kaputt. Ich habe sie erst seit zwei Wochen wieder.«
Jutta hatte einen zweiten Helm und einen Nierengurt mitgebracht.
»Machen wir, dass wir hier wegkommen«, sagte sie.
Ich legte die Utensilien an. Das Jackett von Rosas Gregor wurde brutal zusammengequetscht.
»Willst du den R4 hier stehen lassen?«, fragte ich.
»Was bleibt uns anderes übrig?«
»Das ist schon das zweite herrenlose Auto, das im Bergischen Land herumsteht. Das nimmt langsam überhand.«
»Gib mir den Schlüssel.«
Ich kramte ihn heraus.
»Ich werde einen Freund bitten, den Wagen nach Wuppertal zu fahren. Wir werfen ihm den Schlüssel einfach in den Briefkasten, und ich rufe ihn nachher an, damit er sich um das Auto kümmert.«
»Und er geht dann zu Fuß zurück - wo auch immer er wohnen mag?«
»Er wohnt hier in Düsseldorf und fährt oft beruflich nach Wuppertal. Normalerweise nimmt er die Bahn. So kann er auf einer Strecke mal das Auto nehmen.«
*
Jutta hatte nicht nur in Düsseldorf Freunde, sondern überall auf der Welt. Auch irgendwo zwischen Bergisch Gladbach und Odenthal wohnte eine alte Bekannte von ihr, die sie auf einer Reise kennengelernt hatte.
»Und bei der können wir übernachten?«, fragte ich, als wir kurz haltmachten und Jutta an einem Mietshaus den Schlüssel in einen der Briefkästen fallen ließ.
»Nicht bei ihr zu Hause. Sie besitzt noch ein kleines Anwesen. Mit Fachwerkhaus, einer Scheune und etwas Land.«
»Klingt märchenhaft. Und da wohnt niemand?«
»Sie ist schon ewig dabei, das Haus zu renovieren. Aber wie das so ist - es zieht sich alles in die Länge.«
»Soll das heißen, die Bude ist unbewohnbar?«
»Nun sei mal nicht so wählerisch. Immer noch besser, als auf dem Feld zu übernachten, oder?«
Wir bestiegen die Maschine wieder und fuhren weiter. Jutta lenkte die Harley Zielgerade auf die A46 und bog dann am Hildener Kreuz auf die A3 Richtung Süden ab. Sie gab mordsmäßig Gas, und der Wind zerrte an den Säumen meines Jacketts.
Ich krallte mich fest und versuchte, über den Fall nachzudenken. Irgendeine Spur haben wir noch, dachte ich. Da ist noch was … Doch ich war zu müde, als dass der Gedanke in mir eine klare Form annehmen konnte.
Jutta wechselte noch einmal die Autobahn. Diesmal ging es auf die A1, was mich wunderte, denn die führte ja nach Nordosten. Doch kaum hatte ich länger darüber nachgedacht, nahm Jutta eine Ausfahrt.
»Burscheid«, las ich.
Die Landstraße führte uns weg von dem geröteten Abendhimmel. Es ging durch ein paar Orte, dann über halsbrecherische Serpentinen den Berg hinunter. Hier war es jetzt schon sehr dämmrig. Jutta hatte den Scheinwerfer eingeschaltet, und der Lichtkegel tastete an Leitplanken entlang. Unten im Tal gab Jutta auf gerader Strecke wieder Gas.
Der kleine Ort mit schönen Häusern rund um einen Kreisverkehr war wohl Odenthal. Hier wohnte Theresa …
Aber Jutta hatte ein anderes Ziel. Wieder steile Kurven, diesmal bergauf. Schließlich bog Jutta in ein Wohngebiet ab und fuhr die dunkle Straße bis ganz nach hinten durch. Vor einer Einfahrt, die mit einer Kette versperrt war, stoppte sie. Bevor sie den Motor abstellte, konnte ich
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