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Nebel über dem Fluss

Nebel über dem Fluss

Titel: Nebel über dem Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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nach dem für die Geldübergabe vereinbarten Zeitpunkt ein Wagen auf den Parkplatz des Lokals, bei dessen Außentoilette das Lösegeld deponiert war. Der Fahrer ging in die Gaststätte und bestellte ein halbdunkles Bier und ein Schinkenbrötchen. Zehn Minuten später war er schon wieder draußen, mit dem Schinkenbrötchen noch in der Hand, und ging zur Herrentoilette.«
    »Da hat er wohl mit links gepinkelt«, witzelte Divine.
    »Als er wieder wegfuhr, wurde er verfolgt und angehalten. Zuerst war er ziemlich genervt, weil er glaubte, es handele sich um eine Alkoholstichprobe, aber sobald er merkte, dass es um etwas anderes ging, war er die Kooperation in Person. Am Ende stellte er uns beinahe so viele Fragen wie wir ihm. Er erklärte, er habe eine Zeitlang Jura studiert, das Studium dann aber an den Nagel gehängt. Weshalb, sagte er nicht. Aber er dachte angeblich immer noch daran, wieder auf die Uni zu gehen und Kriminologie zu studieren.
    Er sagte, er sei gegenwärtig als Handelsvertreter bei einer Firma namens Oliver und Chard mit Sitz in Gloucester beschäftigt. Das Unternehmen stelle Arbeitskleidung für Landwirtschaft und Industrie her, Monteuranzüge, Schutzbekleidung, Arbeitsstiefel und dergleichen. Er sei auf dem Weg zu einem Milchviehbetrieb in Cheddar und danach müsse er noch einen Besuch in Shepton Mallet machen. Der Wagen, den er fuhr, war am Morgen bei Hertz gemietet worden. Er fahre normalerweise seinen eigenen, sagte er, aber er sei in letzter Zeit ein paarmal nicht angesprungen.«
    Helen Siddons blickte aufmerksam in die Runde. Nicht allzu viele Leute starrten auf ihre Schuhe.
    »Der Mann hieß Barrie McCain. Natürlich überprüften wir seine Angaben   – Arbeitgeber, Termine, Autovermietung   –, es passte alles. Wir haben nie nachgehakt. Es schien keinen Anlass dazu zu geben. Jedenfalls nicht bis zu dem Moment, als Patrick Reverdy im ›Little Chef‹ auftauchte und die Reisetasche voll Geld aus der Toilette holte.«
    »Ich nehme an«, warf Reg Cossall ein, »wir würden das nicht alles durchexerzieren, wenn dieser McCain immer noch für dieselbe Firma tätig wäre.«
    »Er kündigte«, sagte Helen Siddons, »in der Woche nach dem Übergabetermin, der verstrich, ohne dass das Geld abgeholt wurde. Die Personalchefin glaubt sich zu erinnern,dass es um seine Mutter ging, die irgendwo bei Manchester lebte und krank geworden war. Er sei ein guter Verkäufer gewesen, immer freundlich, sie hätten ihn mit Bedauern gehen lassen.«
    »Auf ein Foto ist wohl nicht zu hoffen?«, erkundigte sich Cossall.
    »Grundsätzlich verlangt die Firma von jedem Mitarbeiter ein Foto, aber McCain hat immer wieder vergessen, eines mitzubringen. Nach einer Weile hatten sie es satt, danach zu fragen. Die Verkaufszahlen in seinem Gebiet waren in die Höhe geschnellt und sie wollte es sich nicht mit ihm verderben. Aber«, fuhr sie fort und ignorierte das enttäuschte Seufzen und Stöhnen, »Constable Divine hat den Mann beschrieben, den er im ›Little Chef‹ aus nächster Nähe gesehen hat, den Mann, der sich Reverdy nannte. Und die Beschreibung passt der Personalchefin zufolge, zumindest äußerlich, genau auf McCains. Etwa gleiche Körpergröße, gute eins siebzig, schlank, eher schmächtig gebaut. Manchmal, sagte sie, ließ er sich einen kleinen Schnurrbart stehen, aber immer rasierte er ihn wieder ab, bevor man sich daran gewöhnt hatte. McCain wurde von zwei weiteren Beamten aus der Nähe gesehen – meiner Ansicht nach muss unsere erste Aufgabe sein, ein Phantombild zu erstellen, sobald wir hier fertig sind.«
    »Danke, Helen«, sagte Skelton. »Charlie. Sie alle. Ohne andere Möglichkeiten außer Acht lassen zu wollen, haben wir hier eine Menge Arbeit vor uns. Ich möchte, dass jeder Bestandteil von Reverdys Aussage von vorn nach hinten und von hinten nach vorn geprüft und noch mal geprüft wird. Das gleiche gilt für McCain. Wenn wir Verbindungen zwischen den beiden aufdecken können, etwas Konkretes, das nicht nur auf Indizien beruht, dann haben wir vielleicht zum ersten Mal die Nase vorn.«

48
    Lynn lag in der Badewanne und hörte GEM AM.   Sie lag schon so lange darin, dass die beschlagene Glasfront des Hängeschranks langsam wieder klar zu werden begann, der nach Fichtennadel duftende Schaum sich aufgelöst hatte. Das Wasser hatte merklich abgekühlt. Sie überlegte, heißes nachlaufen zu lassen, aber wahrscheinlich hatte der Boiler noch gar nicht wieder aufgeheizt. Noch ein, zwei Minuten, dann würde sie

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