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Nebel über dem Fluss

Nebel über dem Fluss

Titel: Nebel über dem Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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schnelle Bewegung seiner Augen, abwärts, zu der Stelle, wo der Bademantel an ihrem Busen ein wenig klaffte. Dieser Blick.
    »Wenn es nicht passt, kann ich die Flasche ja hier lassenund wieder gehen. Es ist zwar noch früh, aber vielleicht wollen Sie ins Bett.«
    Sie trat zur Seite, um ihn einzulassen. »Warten Sie einen Moment, ich ziehe mir schnell was an.«
    Michael lächelte.
    »In der Küche ist ein Korkenzieher«, sagte sie, schon auf dem Weg ins Schlafzimmer. »In der Schublade links von der Spüle.«
    Sie zog Blue Jeans an, einen cremefarbenen Pullover über einen Baumwollrolli, Turnschuhe an die Füße. Michael saß auf dem zweisitzigen Sofa und blätterte in der ›Post‹ vom Abend; zwei Gläser Rotwein standen auf dem niedrigen Tisch vor ihm. »Ich verstehe nicht«, sagte er, »wie die Leute es schaffen, sich derartig zu entblößen.« Das Bild auf der Titelseite zeigte die weinende Clarise Phelan, wie sie von ihrem Mann zu einem wartenden Auto geführt wurde.
MEIN LEIDEN von der Mutter der Ermordeten.
»Ich meine, würde man diese Gefühle nicht lieber für sich behalten wollen?«
    Lynn setzte sich mit ihrem Glas in den Sessel, der schräg zu dem kleinen Fernseher stand.
    »Aber Sie sind jetzt wahrscheinlich etwas vorangekommen, wo Sie die arme Frau gefunden haben.«
    »Ja, stimmt«, bestätigte Lynn. »Wir haben einige neue Hinweise.«
    »Und Sie   –« Michael kostete seinen Wein – »haben Sie jetzt direkter mit der Sache zu tun?«
    »In gewisser Weise, ja, könnte man sagen.«
    Er stellte sein Glas ab und ging auf sie zu, ohne Eile, mit lächelndem Blick. Ein Anflug von Furcht, instinktive innere Abwehr, als er sich zu ihr hinunterneigte. Sein Mund war merkwürdig weich, und seine angenehm warmen Lippen schmeckten nach Wein. Seine Zunge drängte sacht, und sie ließ sie ein.
    »Immer wieder habe ich mir das vorgestellt«, sagte er. »So lange schon.« Er saß, schräg über sie geneigt, auf der Armlehne des Sessels, das Gesicht an ihrem Hals. »So unendlich lange schon.«
    »Ein paar Tage, das ist doch nicht so lange.«
    »Falsch. Es war länger.«
    Sie rückte von ihm ab und drehte den Kopf, um sein Gesicht sehen zu können.
    »Sie haben mich nicht wiedererkannt?«, fragte Michael.
    Ohne den Blick von ihm zu wenden, schüttelte Lynn den Kopf.
    »Und auch jetzt klingelt’s nicht?«
    »Nein.«
    Er streichelte ihren Arm, die Finger unter dem Ärmel ihres Pullovers. »Das liegt an der Aufmachung   …«
    »An was für einer Aufmachung?«
    »Dem Smoking, dem Abendanzug. Mir ist immer schon aufgefallen, wie sehr so ein Aufzug verändert.« Er lächelte wieder, und sie bemerkte zum ersten Mal einen Funken Grün im Graublau des einen Auges. »Moss Brothers, das ist billiger als ein Besuch beim Schönheitschirurgen.« Das Lächeln wurde breiter. »›Lassen Sie mich das übernehmen.‹ Erinnern Sie sich jetzt?« Er nahm einen Zwanzigpfundschein aus seiner Brusttasche und schwenkte ihn vor ihrem Gesicht. »Sie hatten ein blaues Kleid an. Wunderschöne Schultern. Und das Haar, das Haar trugen Sie hinten hochgesteckt, so   …«
    Sie packte seinen erhobenen Arm und hielt ihn fest, sein Handgelenk so dicht an ihrem Ohr, dass sie seinen Pulsschlag fühlte.
    »Jetzt erinnern Sie sich, nicht wahr? Oder habe ich so wenig Eindruck hinterlassen?«
    Das Einzige, woran sie sich erinnerte, war ein dunkler Anzug, elegant, ein Gesicht unter vielen an der dicht umlagertenBar. Und an die Stimme, die ihr folgte, als sie sich entfernte, und anbot, sie später zu einem Drink einzuladen. Aber das war doch nicht dieselbe Stimme gewesen?
    »Der Polizist, mit dem Sie damals zusammen waren, ist das nicht der, den ich heute Abend im Fernsehen gesehen habe? Der von der Toten gesprochen hat?«
    Lynn nickte. »Ja. Mein Inspector. Resnick.«
    »Guter Mann, oder? Versteht sein Handwerk. Was würden Sie sagen, ein guter Polizist?«
    »Ja, das würde ich sagen.«
    Sie ließ seine Hand los, als er sie aus ihrem Haar ziehen wollte, und er neigte sich zu ihr hinunter, um sie zu küssen. Aber bevor er es tun konnte, sagte sie: »Und dass Sie an dem Abend, als ich beinahe mein Auto zu Schrott gefahren hätte, genau im richtigen Moment da waren – war das Zufall oder was?«
    Sein Mund streifte ihre Lippen. »Oh, ich glaube nicht an den Zufall. Ich bin überzeugt, dass alles Vorbestimmung ist, Teil eines großen Plans.
Que sera, sera« .
Er küsste sie, und sie erwiderte den Kuss. »Es geht doch nichts über die alten Songs«, sagte er

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