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Nebel über dem Fluss

Nebel über dem Fluss

Titel: Nebel über dem Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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gesagt?«
    »Ich weiß nicht mehr.«
    »Sie wissen nicht mehr, was sie Ihnen als Grund dafür genannt hat, dass sie zu Fuß nach Hause gehen wollte, nachdem sie vorher zugestimmt hatte, sich von Ihnen fahren zu lassen?«
    »Nein.«
    »Sie hatten also letztlich keine Ahnung, ob sie wirklich wohlbehalten zu Hause angekommen ist?«
    »Ich nahm an   –«
    »Natürlich. Man nimmt an. Aber Danas Freundin, Nancy Phelan, ist nicht zu Hause angekommen.«
    »Ich sagte Ihnen doch schon, Inspector, darüber weiß ich nichts. Überhaupt nichts. Ich bin ihr im Lauf des Abends vielleicht ein- oder zweimal begegnet, als sie sich mit Dana unterhielt. Zumindest vermute ich, dass sie das war. Aber später – nein, tut mir leid. Ich wollte, ich könnte Ihnen weiterhelfen.«
    »Wissen Sie schon, wann Sie zurückkommen, Sir? In die Stadt.«
    »Wir wollten eigentlich bis nach Neujahr hierbleiben.«
    »Es gibt noch einige Leute, die wir bisher nicht ausfindig machen konnten«, sagte Resnick. »Sie haben doch nichts dagegen, wenn wir Ihre Assistentin um Hilfe bitten?«
    »Yvonne? Nein, selbstverständlich nicht. Die Firma wird alles tun, was in ihrer Macht steht.«
    »Und Sie, Mr Clarke? Sie selbst?«
    »Ich natürlich auch, aber ich wüsste nicht   …«
    »Vielen Dank, Mr Clarke. Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.«
    Andrew Clarke ging in die geflieste Küche und nahm sich einen alten Malt Whisky aus dem Schrank.
    »Du siehst irgendwie verschwitzt aus«, bemerkte seine Frau. »Ich hoffe, du brütest keine Erkältung aus.«
     
    Divine tat der Rücken weh vom langen Sitzen, während er immer wieder dieselben Fragen gestellt hatte. Naylor war losgegangen, um einen Take-away-Imbiss zu suchen, und mit leeren Händen zurückgekehrt. Alles war geschlossen. Sogar die Pfefferminzbonbons waren ausgegangen.
    »Ach, die mit dem kurzen Rock und den langen Beinen«, sagte die Stimme am Telefon. »Aber klar, erinnere ich mich an die. Was ist denn mit ihr?«
     
    Als Dana in die Wohnung zurückkehrte, war sie einen Moment lang sicher, dass Nancy da sein würde. Aber die Illusion hielt nur so lange an, wie sie brauchte, um die Tür hinter sich zu schließen und den Riegel vorzuschieben. Dann spürte sie, wie sich die Leere über sie senkte wie eine Glasglocke.

12
    »Noch eine Tasse Tee?«
    »Was sagst du?«
    »Noch eine Tasse Tee?«
    Gary, der bei dem Krach aus dem Fernseher nicht hören konnte, was Michelle in der Küche sagte, drehte den Apparat leiser.
    »Tee?«
    Sie war an die Tür gekommen, in Skihose und Pullover, und obwohl der Pulli lose an ihr herabhing, konnte er erkennen, dass sie langsam wieder die Figur hatte, wie vor der Schwangerschaft. Erkennen? Ach was, er wusste es. Lose Haarsträhnen fielen ihr ins Gesicht. Gary hätte ihr gern ein Zeichen gegeben, mit diesem gewissen Blick zur Treppe hingesehen, aber er wusste schon, was sie sagen würde. Karl ist gerade erst eingeschlafen; die Kleine wird sowieso bald wieder wach.
    »Gary?«
    Na gut, warum dann nicht hier unten? Vor dem Feuer war es wenigstens warm.
    »Komm her«, sagte er.
    »Wozu?«
    Aber sie kannte dieses Lächeln, wusste, was es bei ihr hervorrufen sollte. »Ich habe das Wasser schon aufgesetzt«, sagte sie.
    »Dann mach’s wieder aus.«
    »Ach, Gary, ich weiß nicht.«
    »Aber ich. Komm schon.« Er zwinkerte ihr zu. »Solange es heiß ist.«
    Michelle strich sich das Haar aus der Stirn, ging in die Küche und schaltete den Wasserkessel aus. Sie hatte sich gefreut, war erleichtert gewesen, als Gary doch noch vor Weihnachten nach Hause gekommen war, wenn auch spät. Sie hätte am liebsten auf der Stelle mit ihm geschlafen, aber er hatte nichts anderes im Kopf gehabt, als sich über die Scheißbullen, die Scheißgesetze, die Scheißleute im Wohnungsamt aufzuregen, die ganz allein an allem schuld waren. Nicht einmal die Kinder hatte er sehen wollen. Geschweige denn, dass er nach Karl gefragt, sich sein Gesicht angesehen hätte.
    Sie hatte Gary die Geschichte nicht erzählt. Hatte kein Sterbenswort davon gesagt, weder von dem Sozialarbeiter noch von dem Arztbesuch. Das hätte nur noch mehr Ärger gegeben. Es machte ihn wütend, wenn jeder dahergelaufene Idiot vom Sozialdienst sich einbildete, er könnte einfach hier hereinplatzen, so tun, als wäre er Herr im Haus und könnte Gary vorschreiben, wie er seine Kinder erziehen sollte.
    »Besorgen Sie uns eine anständige Wohnung«, hatte er das letzte Mal gesagt. »Besorgen Sie uns eine anständige Wohnung, dann ziehen

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