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Nebel über dem Fluss

Nebel über dem Fluss

Titel: Nebel über dem Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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und erwog, sich ein Mittagessen bei Sonny’s zu leisten. Die Vernunft lenkte sie die Goose Gate hinunter, zu Browne’s Wine Bar, wo sie ein Glas trockenen Weißwein und ein Baguette mit Hühnchen bestellte. Aus einem Glas wurden zwei, dann drei und von da war es nur noch ein kurzer, leicht schwankend zurückgelegter Weg zu dem Architekturbüro, bei dem sie beschäftigt war.
    »Bis 3.   Januar geschlossen«, stand in schwarzen Buchstaben auf der Karte an der Tür.
    Sie hatte die Schlüssel in der Handtasche.
    Eine Zeitlang streifte sie von Raum zu Raum, an Reißbrettern und fein gebauten Modellen vorbei, und gelangte schließlich in ihren eigenen Arbeitsbereich, die Bibliothek mit den in Verweiskatalogen festgehaltenen Diasammlungen und Plänen.
    Sie ging zurück zu Andrew Clarkes Büro. Ganz allmählich, während sie auf der Ecke seines imposanten mattschwarzen Schreibtischs saß und mit dem Lippenstift spielte, den sie kurz zuvor bei Debenhams gekauft hatte, reifte in ihrem Kopf ein Plan. In marokkanisch Rot.
     
    Raju mochte über den Berg sein, dachte Divine, aber so, wie er verkabelt war, kostete er den britischen Steuerzahler immer noch ein Heidengeld. Er hatte Mühe, zwischen den vielen Ständern, Schläuchen und Messgeräten einen Platz für seinen Stuhl freizuräumen.
    Aber der gute Raju, sicher abgestützt von einem Berg Kissen und allem Anschein nach recht munter, lieferte wertvolleHinweise, jedenfalls was die Personenbeschreibungen anging. Einer der jungen Typen, der Quassler, der ans Fenster geklopft und ihm gesagt hatte, er solle anhalten, hatte eine kleine halbmondförmige Narbe genau da, unter dem rechten Auge. Und helles Haar. Sehr, sehr hell.
    »Sind Sie bei der Haarfarbe ganz sicher?«, fragte Divine, der wusste, dass keiner der anderen Zeugen etwas von hellem Haar gesagt hatte.
    »Absolut, ja.«
    Wahrscheinlich ist der arme Kerl immer noch ein bisschen gaga, dachte Divine.
    Bei dem zweiten Typen, dem, der von hinten auf ihn eingeschlagen hatte, waren Raju mehrere Tattoos auf den Armen aufgefallen. Irgend so ein Fabelwesen, eine geflügelte Schlange, auf dem einen. Dann eine Gestalt auf einem Pferd. Ein Ritter? Ja, könnte sein, so etwas in der Art. Und ein Union Jack. Ganz eindeutig. Aber ob auf dem linken oder rechten Arm – nein, leider, das könne er nicht sagen.
    »Alter?«, fragte Divine.
    »Genau das, was man erwarten kann. Junge Burschen. Sechzehn oder siebzehn.«
    »Nicht älter?«
    Raju schüttelte den Kopf und zuckte zusammen bei der Bewegung. »Ein, zwei Jahre vielleicht. Mehr nicht.«
    Divine klappte sein Heft zu und manövrierte seinen Stuhl wieder an seinen alten Platz.
    »Und werden Sie sie jetzt schnappen?«
    »Bestimmt. Jetzt, wo wir das hier haben, geht das ruckzuck.«
    Raju lehnte sich lächelnd in seinen Kissenberg zurück und schloss die Augen.
    Lesley Burton telefonierte im Schwesternzimmer, und Divine musste sich in Geduld üben, bis sie Schluss machte. »Vielen Dank«, sagte er. »Für den Tipp.«
    Sie sah ihn abwartend an.
    »Also«, sagte Divine, »ich habe gerade überlegt. Sie hätten wohl nicht Lust, mal auf ein Bier mit mir zu gehen?«
    »Soll das ein Witz sein?«, fragte Lesley Bruton und drängte sich so dicht an ihm vorbei, dass er ausweichen musste; es war Viertel nach drei und sie musste einen Einlauf vorbereiten.
     
    »Haben Sie einen Anwalt, Mr Hidden?«, fragte Graham Millington.
    Sie befanden sich im Korridor vor dem Vernehmungsraum. Nach der zweiten Sitzung war Robin ganz weiß im Gesicht gewesen, und sie hatten ihm vorgeschlagen, draußen eine Weile auf und ab zu gehen, am besten bei offenem Fenster, damit er frische Luft bekam. Stimmen schallten, bald lauter, bald leiser werdend, aus den Treppenhäusern an beiden Enden des Gangs. Irgendwo begann plötzlich überlaut ein Radio zu spielen. Hinter geschlossenen Türen läuteten Telefone.
    »Nein. Warum? Ich wüsste nicht   …«
    »Sie sollten besser einen anrufen. Wenn Sie keinen kennen, können wir Ihnen eine Liste geben.«
    Robin Hidden starrte dem Sergeant ins Gesicht, braune, unbewegt blickende Augen, geschwungene Lippen unter einem Schnauzer, der so perfekt gestutzt war, dass er künstlich wirkte.
    »Ich dachte, wenn ich Ihre Fragen alle beantwortet habe, könnte ich gehen«, sagte er.
    Die Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »O nein, ich fürchte nicht, Mr Hidden. Noch nicht. Jetzt noch nicht.«

21
    David Welch, der Anwalt, der zum rechtlichen Vertreter Robin Hiddens bestellt wurde, war ein

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