Nebel über dem Fluss
sie schnurstracks und völlig chancenlos vor dem Richter landen. Aber statt ihnen eine ordentliche Gefängnisstrafe aufzubrummen, würde irgend so ein Weichling von Richter sie wahrscheinlich mit sechs Monaten gemeinnütziger Arbeit, einer Verwarnung und ein paar guten Ratschlägen für ihr weiteres Leben laufen lassen.
Da konnte man sich nur fragen, wozu man sich überhaupt die Mühe machte.
Divine wünschte, er hätte diese kleinen Dreckskerle richtig in die Mangel genommen, solange er dazu Gelegenheit gehabt hatte.
Es sprach Verschiedenes dafür, mittags bei ›Jallas‹ zu essen, nicht zuletzt, dass sie dort mit ihrem Club-Sandwich alle anderen Lokale der Stadt mühelos in den Schatten stellten. Und wenn man Glück hatte, wurde einem zum Mittagessen von der Stereoanlage hinter der Bar Musik von Miles Davis über Mose Allison bis zu Billie Holiday serviert. Resnick glaubte, er wäre vor ihr da, aber gerade als er einen Tisch an der hinteren Wand gewählt hatte, sah er Pam Van Allen von der anderen Seite des Raums auf sich zukommen.
»Ist es Ihnen recht hier?«, fragte er.
»Wunderbar«, versicherte sie und zog sich schon einen Stuhl heraus. »Ganz wunderbar.«
»Ich habe Sie gar nicht gesehen …«
»Ich war drüben in der Toilette.«
Sie sah, dachte Resnick bei sich, ziemlich angestrengt aus. Schick zwar mit den gepflegten silbergrauen Haaren und dem gestreiften Wollblazer zum grauen Rock, aber trotz des diskreten Make-ups, das sie aufgelegt hatte, eben doch angespannt und müde um die Augen.
»Ich habe schon an der Bar bestellt«, sagte Resnick.
»Ich auch.«
»Sie sagten, Sie wollten mit mir über Gary James sprechen«, fuhr Resnick fort. »War er noch einmal bei Ihnen?«
Einen Moment sah Pam ihn unverwandt an. Dann sagte sie: »Und wie.«
Die Bedienung brachte Resnick sein Club-Sandwich mit Hühnchen und einen Salat dazu und Pam eine Ofenkartoffel mit Garnelen. Als Resnick fragte, ob sie etwas trinken wolle, lehnte sie ab. Er selbst hatte sich schwarzen Filterkaffee bestellt.
»Das, was er da auf dem Wohnungsamt abgezogen hat«, erklärte Pam, während sie noch etwas Butter auf ihre Kartoffel gab, »hätte er am liebsten gleich noch mal bei mir versucht.«
Resnick hörte ihr zu, während sie berichtete, und biss ab und zu von seinem Sandwich ab, bemüht, nicht allzu viel von der Füllung auf seinen Schoß fallen zu lassen.
»Was meinen Sie«, fragte er, nachdem sie geendet hatte, »war seine Wut von der Art, die schnell verraucht? Oder war es etwas Tiefersitzendes?«
»Etwas wie schwelender Groll, meinen Sie?«
Er nickte, und sie verstand. Er dachte an Gary James’ Wut auf Nancy Phelan, fragte sich, ob er sie lange genug, an die zehn Stunden, mit sich herumgeschleppt haben konnte, um Nancy schließlich aufzulauern und sie an ihr auszulassen.
Pam ließ sich Zeit. Eine Gruppe Frauen, Angestellte derMidland Bank in der Victoria Street wie die einheitlichen Blusen verrieten, setzte sich an den langen Tisch neben ihnen. »Das kann ich wirklich nicht sagen«, antwortete sie schließlich. »Ich habe keine Ahnung.«
Resnick goss sich noch einmal Kaffee ein und machte dem Rest seines Sandwichs den Garaus. Pam hatte ihren Teller schon weggeschoben, obwohl von der Kartoffel noch die Hälfte übrig war.
»Sie mögen das, nicht wahr?«, fragte sie.
»Das Club-Sandwich? Es ist –«
»Essen, meine ich.« Sie lächelte. »Sie essen gern, stimmt’s?«
»Ja, wahrscheinlich«, sagte Resnick, den Mund noch halb voll. »Ja, Sie könnten recht haben.«
Sie wartete, bis er fertig war, bevor sie sich an der Bar ein Heftchen Streichhölzer holte, um sich eine Zigarette anzuzünden. Resnick wusste nicht, warum, aber er hatte angenommen, sie rauche nicht.
»Der Stress«, sagte sie achselzuckend, als hätte sie seine Gedanken gelesen. Und dann sagte sie: »Es ist etwas passiert, nicht wahr?«
»Bei unseren Ermittlungen?«
Hinter einer Rauchwolke halb versteckt schüttelte sie leicht den Kopf.
»Mit Ihnen.«
»Mit mir? Wieso?«
»Wenn wir uns früher getroffen oder miteinander telefoniert haben, waren Sie immer interessiert.«
Resnick sah sie nicht an. Er hielt den Blick auf seinen Teller gerichtet, auf dem sich noch ein paar Kressefädchen schlängelten.
»Verstehen Sie mich nicht falsch, ich rede nicht von Leidenschaft oder so was, sondern – nun, Interesse eben.« Sie zuckte mit den Schultern. »Und über Nacht ist es erloschen.«
»Über Nacht?«
Das Lächeln war wärmer und vertiefte
Weitere Kostenlose Bücher