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Nebel über dem Fluss

Nebel über dem Fluss

Titel: Nebel über dem Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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zu ihr, während sie sich ihren Kaffee machte.
    »Es soll Büros geben«, bemerkte Pam, »in denen es richtige Kaffeemaschinen gibt. Und richtigen Kaffee.«
    »Dafür haben wir Kekse«, entgegnete Neil und hielt ihr die Dose hin, in der noch zwei Vollkornkekse, die HälfteeinerKokoscremewaffel, ein Butterplätzchen und viele Krümel lagen.
    »War’s nett gestern Abend?«, fragte Pam und entschied sich für einen der Vollkornkekse.
    »Phantastisch. Mel und ich sind vor dem Fernseher eingeschlafen und im neuen Jahr wieder aufgewacht.«
    Pam lächelte. Sie hatte keinen ihrer Freunde dafür gewinnen können, mit ihr essen zu gehen, und es sich deshalb mit einem Hühnchengericht vom nächsten Take-away und einer angebrochenen Flasche Weißwein auf dem Sofa gemütlich gemacht. Die ideale Gelegenheit, sich die Dokumentation über das Leben von Frauen zwischen den Kriegen anzusehen, die sie irgendwann einmal aufgenommen hatte. Der Film war allerdings so bedrückend gewesen, dass sie sich lieber eine Sendung über den Sequoia National Park angeschaut hatte. Gleich zweimal.
    »Was steht dir heute ins Haus?«, fragte Neil. »Irgendwas Interessantes?«
    »Gary James gleich zum Auftakt.«
    »Tja«, sagte Neil, ehe er sich mit der halben Kokoscremewaffel davonmachte, »immer schön Kopf hoch.«
     
    Gary kam fast fünfzehn Minuten zu spät, das war lästig, wenn auch kaum anders zu erwarten. Draußen hatte die alte Ethel Chadbond, in Spiritus- und Lysoldünste gehüllt, bereits ihre Körpermassen und ihre Habseligkeiten über drei Stühle verteilt.
    Pam verkniff es sich, allzu demonstrativ auf die Uhr zu sehen. »Hallo, Gary, nehmen Sie Platz.«
    Er lümmelte sich seitwärts auf den Stuhl, Fußballtrikot, Pullover, Jeansjacke, Jeans, und sah sie an, als wollte er sagen: Und?
    »Diesen Termin im Ausbildungszentrum, den ich für Sie vereinbart hatte   –« Pam nahm den Zettel zur Hand, alswäre er von Bedeutung – »den haben Sie nicht wahrgenommen.«
    »Nein.«
    »Darf ich fragen, warum nicht?«
    Und so ging es fort, weitere fünfzehn Minuten lang, in denen Pams Fragen, Bemerkungen und Vorschläge alle mit derselben mürrischen Indifferenz aufgenommen wurden. Es gehörte einfach zum Ritual. Guter Gott, dachte Pam, die nur um etwas zu tun zu haben, eine Schublade aufzog und am liebsten wieder zugeknallt hätte, ist das etwa ein Vorgeschmack auf das neue Jahr? Die nächsten dreihundertvierundsechzig Tage?
    »Gary!«
    »Was?« Er setzte sich mit einem Ruck gerade, die Augen plötzlich weit offen, und sie begriff, dass sie geschrien und ihn erschreckt hatte.
    »Nichts. Entschuldigen Sie. Aber   …«
    Aber du kriegst deine Tage, dachte Gary.
    »Aber ich habe das Gefühl, wir drehen uns hier im Kreis. Endlos.«
    Prustend lehnte er sich zurück. Und was erwartest du nun von mir?
    »Haben Sie denn bei Ihrer Suche nach einer anderen Wohnung inzwischen Fortschritte gemacht?«, fragte Pam und wusste augenblicklich, dass sie genau das Falsche gesagt hatte.
    »Diese elende Bruchbude«, schimpfte Gary. »Es dürfte überhaupt nicht erlaubt sein, da Kinder großzuziehen.«
    »Gary   –«
    »Haben Sie eine Ahnung, wie kalt es war, als ich heute Morgen aufgestanden bin? Können Sie sich das auch nur vorstellen? Ich hab der Kleinen ins Gesicht gelangt und gedacht, sie wär tot, verdammt noch mal! So eiskalt war’s.«
    »Gary«, sagte Pam, »das tut mir wirklich leid, aber ichhabe Ihnen doch schon erklärt, dass das nicht mein Zuständigkeitsbereich ist. Das ist Sache des Wohnungsamts und   –«
    Er sprang so heftig auf, dass der Stuhl unter ihm wegkippte und an die Wand krachte. Sie schrie auf und hob abwehrend die Hände, als er mit geballten Fäusten vor ihrem Gesicht herumfuchtelte.
    »Wollen Sie wissen, was passiert ist, als ich auf dem Scheißwohnungsamt war? Sie haben doch bestimmt davon gehört, oder? Es steht garantiert in einem von den Fetzen da auf Ihrem Schreibtisch.« Mit einer wütenden Armbewegung fegte er alles, was da war, vom Tisch: Stifte, Papiere, Terminkalender, Telefon, Büroklammern. Pam, die ebenfalls aufgesprungen war, wich vor ihm zurück. Unter dem Schreibtisch war ein Alarmknopf, aber den konnte sie jetzt nicht mehr erreichen. »Sie und dieses Luder oben im Wohnungsamt, diese dreckige Schlampe, die für sämtliche Kumpel von meinem Bruder die Beine breit gemacht hat, Sie glauben doch, Sie können mich verarschen, wie’s Ihnen gerade Spaß macht. Oder?« Er stieß den Tisch mit der Hüfte auf die Seite. »Braver

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