Nebel ueber Oxford
ihre Telefonnummer auf, riss die Seite aus ihrem Notizbuch und reichte sie ihm.
»Onkel George!«, rief eine hohe, quengelnde Stimme. »Wir brauchen dich!« George zuckte die Schultern und steckte den Zettel in die Tasche.
Kate sah, wie zwei Kinder auf George zuliefen, ihn bei der Hand nahmen und in eine Ecke des Gartens zerrten, wo sich der Dolby-Nachwuchs versammelt hatte.
Ob er sich je wieder melden würde? Nicht, dass es wichtig gewesen wäre. Ihre Beziehung lag Jahre zurück und war längst einem leisen freundschaftlichen Gefühl gewichen.
Kate wandte sich wieder Kerri und ihren Kollegen zu, die noch immer unter der Zypresse standen. Sie musste Kerri noch ihre Adresse geben.
»Was halten Sie davon, wenn wir unsere Telefonnummern austauschen, um in Verbindung zu bleiben?«
»Ich könnte Ihnen meine Handynummer geben«, sagte Kerri ein wenig zweifelnd.
»Wunderbar. Ich schreibe Ihnen meine Nummer und meine Adresse auf. Wir sollten uns unbedingt einmal treffen, während Sam fort ist.« Erneut angelte sie ihr Notizbuch aus der Tasche und riss eine weitere Seite heraus.
Kerri warf Sam einen misstrauischen Blick zu. »Du hast doch nicht etwa …«
»Würde ich je so etwas tun, ohne dich vorher zu fragen?«, erwiderte er mit Unschuldsmiene.
Kerri schrieb ihre E-Mail-Adresse und ihre Telefonnummer in Kates Notizbuch, und Kate reichte ihr den Zettel, auf dem sie in sorgfältiger Schrift ihre eigenen Daten notiert hatte. Wenn Kerri sich nicht meldete, konnte Sam ihr wenigstens keinen Vorwurf machen.
»Ach, da sind Sie ja. Ich dachte schon, Sie wären gegangen.« Es war Blake, der eine Wolke blauen Dunstes hinter sich herzog. Die anderen schnüffelten demonstrativ.
»Hört mir bloß auf mit den stummen Vorwürfen. Ich gebe das Rauchen erst auf, wenn ich es selbst will. Meine Idee war es schließlich nicht, oder?«
Die Gruppe stand nicht mehr so eng zusammen wie zuvor. Kate vermutete, dass die Leute sich allmählich auf den Heimweg vorbereiteten.
»Ich denke, ich gehe jetzt«, sagte sie zu Blake. »Emmas Gesichtsausdruck lässt befürchten, dass sie die Leute zusammenzählt, die beim Aufräumen und Spülen helfen können.«
»Sie haben absolut recht«, entgegnete Blake mit Blick auf die rapide abnehmende Gästezahl. »Aber der Tag ist noch jung, es ist wunderbar warm, und die Boote warten an der Folly Bridge. Wie wär’s?«
Kate dachte flüchtig an die vor ihr liegenden Stunden. Die "versal">DVDs wurden bis zum Spätnachmittag nicht schlecht, ebenso wenig wie das Schokoladeneis im Gefrierschrank. Warum sollte sie sich nicht ein, zwei Stunden in netter Gesellschaft gönnen?
»Ich bin dabei«, sagte sie.
Kapitel 16
Später am Abend, als Kate mit einem kühlen Glas Weißwein vor dem Fernseher saß und sich »Balzac und die kleine chinesische Schneiderin« anschaute (das Schokoladeneis hatte sie für Zeiten größerer Bedürftigkeit in der Kühltruhe gelassen), klingelte das Telefon.
Hastig griff sie nach dem Hörer, weil sie dachte, es könne vielleicht Jon sein, der sich unvernünftigerweise schuldig fühlte.
»Das ging aber schnell«, sagte ihre Mutter. »Hast du neben dem Telefon gesessen und gewartet, dass es klingelt?«
»Ach was, es lag nur gerade neben mir.«
»Wie war die Geburtstagsfeier? Habt ihr beide euch amüsiert?«
»Es war richtig schön. Allerdings ist Jon nicht mitgekommen. Er betrügt mich mit einem Ding, das einen Kiel und Segel hat.«
»Damit war zu rechnen.«
»Was soll das bedeuten?«
»Nur dass er sich gern an der frischen Luft aufhält.«
Kate beschloss, die kleine Stichelei zu ignorieren. »Ich habe eine sehr interessante Freundin von Emma kennengelernt. Sie schreibt selbst, hat zwei Kinder, einen Ehemann und leidet an irgendeiner scheußlichen Krankheit, für die es bisher keine Diagnose gibt.«
»Na, das scheint ja richtig nett gewesen zu sein.«
»Jedenfalls war es einfacher, mir ihr zu reden als mit Sam juniors Kollegen aus dem Labor. Die waren allesamt merkwürdig drauf. Ich könnte mir vorstellen, dass er ganz froh ist, nächste Woche nach China zu reisen.«
»Die meisten anderen Gäste waren sicher ältere Verwandte aus dem Haus Dolby, oder?«
»Entweder das oder kleine Kinder, die sich mit Schokolade bekleckerten und auf einem Trampolin herumhüpften. Ich vergesse immer wieder, wie eine Großfamilie in Wirklichkeit aussieht.«
»Hast du den Eindruck, zu kurz gekommen zu sein?«
»Eigentlich nicht. Ich hatte nur den Eindruck, dass die älteren Semester
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