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Nebel ueber Oxford

Nebel ueber Oxford

Titel: Nebel ueber Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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jede auch nur ansatzweise natürliche Regung der Kinder missbilligten.«
    »So, so. Übrigens hat Avril heute Nachmittag mit ihrem Hund einen Spaziergang auf dem Treidelpfad gemacht. Sie behauptet, sie hätte dich in einem Ruderboot auf der Isis gesehen. Du hättest die Finger ins Wasser gehalten und dich von einem äußerst attraktiven, relativ jungen Mann rudern lassen. Hat sie sich etwa geirrt?«
    »Aber absolut! So etwas würde ich niemals tun, wenn Jon nicht dabei ist.«
    »Aha.«
    »War das der Grund für deinen Anruf?«
    »Nicht wirklich. Ich wollte nur wissen, ob du für Jon eine vernünftige Erklärung parat hast. Aber wenn er heimkommt, wird er wahrscheinlich von der frischen Seeluft und dem Bier mit seinen Freunden so müde sein, dass er nicht mehr allzu neugierig nach deinem Tag fragt.«
    »Mutter, bitte.«
    »Na, eigentlich habe ich angerufen, um dir zu erzählen, dass ich wieder eine Reise machen werde.«
    »Für lange?« Merkwürdig, wie viel es ihr bedeutete, die Mutter in Reichweite zu wissen, obwohl sie sich nicht einmal besonders nahestanden. Roz wohnte nur ein paar Kilometer entfernt.
    »Ich werde nicht allzu lang fort sein. Unser Unternehmen besteht nach wie vor, doch Avril und ich haben beschlossen, uns einen Urlaub zu gönnen, ehe wir mit dem nächsten Projekt weitermachen. Wir sind einfach nicht mehr die Jüngsten, aber sechs Wochen sollten genügen, unsere Batterien aufzuladen.«
    »Weißt du schon, wohin du fahren willst?«
    »Nach Portugal.«
    »Das klingt für deine Begriffe ausgesprochen zahm.«
    »Ich habe dort einen guten, alten Freund, den ich besuchen möchte.«
    In Kates Kopf schrillten die Alarmglocken. Portugal? Wen konnte Roz in Portugal kennen?
    »Wann geht es denn los?«, erkundigte sie sich.
    »In etwa einer Woche.«
    »Bist du sicher, dass deine Gesundheit mitspielt?«
    »Bitte vergiss doch endlich, dass ich im letzten Jahr krank war. Ich denke so gut wie nie daran zurück. Meine Anämie ist unter Kontrolle, und ich bin fit. Also komm mir nicht mit so etwas, Kate.«
    »Wie du meinst.«
    Sie wechselten noch ein paar Worte. Kate bemühte sich, mehr aus ihrer Mutter herauszukitzeln, doch Roz blieb vage. Schließlich beendeten sie das Gespräch.
    Kate trank einen Schluck Wein. Und mit einem Mal fiel es ihr wieder ein: Ihre Mutter war in Portugal verheiratet gewesen. Nein, sie hatte während ihrer Zeit in Kalifornien einen Portugiesen mit einem langen Doppelnamen geheiratet. Die Einzelheiten hatte Kate vergessen. Die Ehe war lange nach dem Tod ihres Vaters geschlossen worden; Roz hatte ihr nichts davon gesagt, bis Kate zufällig ein Hochzeitsfoto von ihrer Mutter und ihrem Stiefvater fand. (Stiefvater? Nein, ganz sicher nicht. Eine solche Bezeichnung kam nicht mehr infrage, wenn man über zwanzig war und sich nie kennengelernt hatte, oder?)
    Kate hatte keine Ahnung, ob Roz und António – genau, so hieß der Mann – inzwischen geschieden waren. War Roz wieder einmal im Begriff, auf einen Betrüger hereinzufallen? Oder ob sich das Paar später in Oxford niederlassen wollte?
    Es geschah ihr recht. Wäre sie bloß ihrer Mutter gegenüber nicht so spöttisch gewesen, als die Leichen der Freemans entdeckt worden waren. Roz zahlte es ihr heim, indem sie ihre Tochter nun im Ungewissen ließ. Mehr steckte sicher nicht dahinter.
    Kate leerte ihr Glas und ging in die Küche. Bei einem Blick in die Kühltruhe fiel ihr ein, dass sie gleich mehrere Packungen hochkalorischer Tröster auf Vorrat gekauft hatte. Roz’ Reise war ein Problem, das man eigentlich nur mit Schokoladeneis lösen konnte.
    Was Jon anging, so hatte ihre Mutter recht gehabt. Zwischen ein und zwei Uhr morgens hörte Kate den Schlüssel im Schloss. Jon polterte die Treppe hinauf. Am folgenden Morgen wachte er spät auf und zeigte allenfalls höfliches Interesse an Sams Party, als Kate ihm einen Becher Kaffee und zwei Croissants mit Aprikosenmarmelade ans Bett brachte.
    Als er kurz darauf zwar geduscht und angezogen, aber immer noch unrasiert und mit trüben Augen in der Küche erschien, fragte sich Kate insgeheim, ob sein Samstag ebenso unschuldig gewesen war wie der ihre. Doch vermutlich schon. Jons wahre Liebe gehörte den Segelbooten – welche Frau konnte es damit aufnehmen?
    »Ich bin an der Reihe, die Spülmaschine einzuräumen«, sagte er liebenswürdig. »Möchtest du vielleicht noch einen Kaffee?«, fügte er gleich im Anschluss hinzu.
    »Warum nicht. Schließlich ist heute Sonntag.«
    Zum Sonntagsfrühstück

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