Nebel ueber Oxford
mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie sie mit einem dicken Schmöker irgendwo am Strand liegt. Du etwa?«
»Nein. Machst du dir etwa schon wieder Sorgen um sie?«
»Sie hat sich sehr vage ausgedrückt. Wenn sie so herumdruckst, traue ich ihr nie.«
»Sie druckst oft herum, wenn sie mit dir spricht. Sie tut es, weil sie dich damit ein klein wenig ärgern kann.«
»Meinst du?«
»Deine Mutter und ich, wir verstehen uns prima. Ich denke, ich durchschaue sie inzwischen ganz gut.« Was immer auch Jon sagen mochte – in den vergangenen Jahren hatte Roz es immer wieder fertiggebracht, sich in peinliche, manchmal brisante und sogar lebensbedrohliche Situationen zu manövrieren. Dass Kate sich also Sorgen machte, war in ihren Augen völlig berechtigt. Trotzdem hatte Jon natürlich recht: Sie konnte nichts dagegen tun. Daher ließ sie das Thema fallen.
»In welches idyllische Dörfchen zieht es dich?«, fragte sie.
»Sollen wir es einmal im Nordwesten probieren?«
»Einverstanden, ich hole die Karte.«
Jons Büro lag im Südosten der Stadt. Sie würde ihn rasch zu überzeugen wissen, dass der tägliche Weg zur und von der Arbeit während der Hauptverkehrszeiten eine Tortur wäre – selbst wenn er sein Traumhaus finden sollte.
Am Montag rief George an. Am Mittwoch schickte Blake Parker eine E-Mail. Vermutlich hatte er ihren Namen gegoogelt und ihr die Mail über das Kontaktformular gesandt, dachte Kate zufrieden. Sie antwortete beiden, dass sie unter der Woche keine Zeit hätte, sich jedoch irgendwann später sicher eine Möglichkeit fände, gemeinsam zu Mittag zu essen.
Am Donnerstag rief der junge Sam Dolby an.
»Ich fliege morgen in aller Herrgottsfrühe, Kate, und wollte mich nur kurz verabschieden.«
Kate wusste nur allzu gut, was Sam in Wirklichkeit sagen wollte. Sie wünschte ihm alles Gute für die Reise und fügte hinzu: »Mach dir keine Sorgen wegen Kerri. Ich habe ihre Telefonnummer und ihre Mail-Adresse. In den nächsten Tagen werde ich mich bei ihr melden. Und wenn sie Angst hat, soll sie einfach anrufen.«
»Danke, Kate. Ich werde sie noch einmal daran erinnern. In den letzten Tagen gab es wieder vermehrt Anrufe und Graffiti. Man hat fast den Eindruck, diese Leute hätten es auf sie abgesehen.«
»Das ist bestimmt nur Zufall. Wer sollte es ausgerechnet auf Kerri absehen?«
»Na ja, sie hilft Conor mit den Tieren, und zwar freiwillig. Diese Arbeit gehört nicht zu ihrem Job.«
»Das tut sie wohl, weil sie Tiere liebt, nicht wahr? Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, warum sie ausgerechnet Kerri ausgesucht haben. Sie müssten dem Mädchen doch eher Beifall zollen, statt hinter ihr her zu sein.«
»Sie sehen es anders. In ihren Augen duldet sie die Quälerei.«
»Fanatiker kann man nicht überzeugen.«
»Ich habe mir schon überlegt, ob ich die Reise nach China absagen und bei ihr bleiben und auf sie aufpassen soll.« Die Worte sprudelten aus ihm hervor, als plane er, etwas zu tun, was er eigentlich nicht tun wollte.
»Zunächst einmal: Ich wüsste nicht, wie du ihr helfen könntest. Schließlich kannst du schlecht die ganze Zeit mit einer Flinte um sie herumkreisen, um mögliche Angreifer abzuschrecken. Und du kannst weder die Anrufe stoppen noch etwas gegen die Graffiti tun.«
»Bin ich denn zu gar nichts zu gebrauchen?«
»Natürlich nicht. Aber diese Leute arbeiten nicht offen und geradeheraus. Es dürfte schwierig sein, sich vor ihnen zu schützen. Du fliegst morgen nach China, Sam. Ich bin hier, und du hast mich gebeten, ein Auge auf deine Freundin zu haben. Ich kann ebenso viel oder ebenso wenig tun wie du. Du weißt, dass du dich auf mich verlassen kannst. Denk an die Leute, die dich in China erwarten. Wolltest du nicht an eine Schule gehen? Du kannst die Menschen dort doch nicht einfach so hängen lassen. Du fährst!«
Wenn sie ehrlich war, ging es ihr mehr darum, dass Sam den engen Bindungen seiner Familie entkam und eigene Entscheidungen traf. Auf seine Verpflichtungen gegenüber einer ihr unbekannten Schule in China gab sie weniger. Doch das brauchte sie Sam nicht zu verraten.
Sam verstummte für ein paar Sekunden. »Du hast recht«, sagte er schließlich. »Ich muss das durchziehen. Wir können per E-Mail in Kontakt bleiben. Ich denke, dass ich mindestens einmal in der Woche Gelegenheit haben werde, Nachrichten zu empfangen oder zu versenden.«
»Auf Wiedersehen, Sam. Genieße die Zeit. Wir sehen uns nächstes Jahr wieder.«
Kapitel 17
Sieh es positiv, dachte
Weitere Kostenlose Bücher