Nebel ueber Oxford
wird die sich nie anders verhalten – ganz gleich, wen er mit nach Hause bringt. Das hat nichts mit persönlicher Abneigung zu tun.«
»Die wollen, dass er Geld heiratet, nicht wahr?«
»Gut möglich. Aber was glauben Sie wohl, warum Sam nach China gegangen ist? Ich glaube, er hat es satt, dass man ihm ständig in sein Leben hineinredet. Er wollte sich von der ganzen Sippe freimachen und für die Zukunft seine eigenen Entscheidungen treffen.«
»Genau das hat er mir vor seiner Abreise auch gesagt.«
»Also lassen Sie sich von den Dolbys nicht einschüchtern. Sie sind alles in allem harmlos.«
»Wissen Sie, Kate, wir haben nie an Heirat gedacht. Nicht, dass Sie das glauben …«
»Vergessen Sie die Dolbys einfach, Kerri. Und Conor wollte Sie bestimmt nur aufziehen. Niemand kann allen Ernstes auf die Idee kommen, dass Sie etwas mit dem Anschlag zu tun haben könnten.«
»Aber irgendwer muss die Bombenleger ins Labor gelassen haben. Außerdem fragen sich natürlich alle, wer den Terroristen unsere Adressen und Telefonnummern gegeben hat.«
»Also, ich bin ganz sicher, dass Sie eine reine Weste haben.«
»Trotzdem: Es muss einer von uns gewesen sein.«
Wieso äußerte Conor in aller Öffentlichkeit seinen Verdacht gegen Kerri? War es möglich, dass er selbst etwas zu verbergen hatte?
»Möchten Sie auch ein Glas Weißwein? Oder hätten Sie lieber eine Cola? Wir gehen jetzt hinüber ins Wohnzimmer. Dort können Sie unsere anderen Gäste kennenlernen.«
»Eine Cola bitte.« Ja, Kerri war tatsächlich noch ein Kind und rührend dankbar für Kates Aufmerksamkeit.
Sie betraten das Wohnzimmer. Kerri trug Jeans und ein kurzes, blaues Shirt. Ihr Gesicht und die Augenbrauen wiesen noch Verletzungsspuren durch die Briefbombe auf. Schüchtern blieb sie an der Tür stehen. Erleichtert registrierte Kate, dass Susie das junge Mädchen sofort ansprach.
»Kommen Sie, Kerri, setzen Sie sich zu mir. Hier auf dem Sofa ist genug Platz für uns beide.« Sie schenkte Kerrie ein strahlendes Lächeln, und Kate hörte, wie sie sagte: »Was haben wir da gehört? Sie bekommen Drohanrufe? Sie Ärmste! Los, erzählen Sie.«
Und Kerri begann zu sprechen.
Kate wandte sich der Unterhaltung von Jon und Gary zu, doch die beiden fachsimpelten über Automotoren, und so kehrte ihre Aufmerksamkeit wieder zu den Damen zurück.
»Also, zunächst waren Sie im Labor, als der Sprengsatz hochging, und dann haben Sie eine Briefbombe bekommen?« Susies Stimme klang ungläubig. »Sie haben Glück, dass Ihnen nichts Schlimmeres passiert ist.«
»Es war wirklich verrückt. Wahrscheinlich war ich nach dem Anschlag auf das Labor noch so nervös, dass mich beim Öffnen des Briefes blitzartig eine Vorahnung durchfuhr. Ich warf das Päckchen quer durch den Raum. Ich hatte Glück. Die Explosion hat nur meine Augenbrauen versengt und eine Brandwunde im Gesicht verursacht. Aber die ist nicht gefährlich. Es hätte wirklich schlimmer kommen können. Aber meine Nerven lagen blank.«
»Das kann ich mir gut vorstellen. Und dann noch die Drohanrufe! Ich weiß nicht, wie Sie das aushalten.«
»Es ist gruselig, sich zu fragen, wer einen so sehr hassen könnte.«
»Sie Ärmste! Wie um alles in der Welt sind diese Leute an Ihre Adresse gekommen?«
Kerri blickte zu Boden. »Es sieht so aus, als ob jemand aus dem Labor unsere Adressen und Telefonnummern weitergegeben hat.«
»Aber wer würde so etwas tun?«
»Es gibt Leute, die glauben, dass ich es war«, murmelte Kerri.
»Und warum glauben sie das?«
»Weil sie wissen, dass ich gegen Tierversuche bin.«
»Ich kann einfach nicht glauben, dass jemand so grausam ist. Immerhin sind Sie diejenige, die angegriffen wurde.«
»Vielleicht planen die Bombenleger ja etwas viel Schlimmeres, wenn ich gerade nicht am Tatort bin. Das glauben diese Leute jedenfalls.«
»Arme Kerri. Aber hier bei uns sind Sie in Sicherheit. Und Kate kümmert sich um Sie, nicht wahr?«
»Das stimmt. Ich dachte, ich könnte keinen Bissen hinunterbekommen, aber hier fühle ich mich sicher und habe erst dann bemerkt, wie hungrig ich war.«
»Kate hat uns gesagt, dass Ihr Freund in China ist.«
»Das stimmt. Aber er hat mir gesagt, dass ich Kate jederzeit anrufen kann, wenn etwas sein sollte.«
Kate war der Meinung gewesen, dass sie Kerri nicht sympathisch war, doch jetzt wusste sie, dass sie sich geirrt hatte. Und Susie holte das Mädchen wunderbar aus der Reserve. Allein die Tatsache, dass Kerri über ihre Sorgen sprechen durfte, schien zu
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