Nebel ueber Oxford
können Menschen nur derart kaltschnäuzig sein?«
»Gibt es noch weitere Neuigkeiten? Hat die Polizei das Unfallfahrzeug gefunden?«
»Ich fürchte nein. Aber es gibt ja auch nur wenige Anhaltspunkte.«
»Sie sollten alles daransetzen, den Fahrer zu finden. Es wäre eine Schande, wenn der Kerl ungeschoren davonkommt.«
»Stimmt. Aber das ist nicht der Grund für meinen Anruf. Heute ist etwas passiert, was mich beunruhigt hat, was ich aber vorerst nicht an die große Glocke hängen möchte.«
»Worum geht es?«
»Aber Sie behalten es auf jeden Fall für sich, einverstanden?«
»Selbstverständlich.«
»Als Lynne mir Kerris Zimmer zeigte, sagte sie, es wäre von Mutter und Schwester fast vollständig leergeräumt worden. Und sie hatte recht: Es war so gut wie nichts mehr in diesem Zimmer, bis auf ein altes T-Shirt auf dem Stuhl und ein paar Dinge auf dem Tisch, den sie als Schreibtisch benutzte. Es waren eine alte Stromrechnung und ein "versal">DIN-"versal">A4-Block. Darunter lag ein dünner Hefter. Er enthielt einen Ausdruck mit Namen und Adressen aller Mitarbeiter unseres Teams.«
»Aller Mitarbeiter des Labors?« Kate fühlte plötzlich eine Kälte in sich aufsteigen.
»Sehr richtig.« Blakes Stimme klang zornig.
»Wie erklären Sie sich das?«, fragte Kate.
»Hören Sie doch auf! Nach was sieht es denn aus?«
»Nun, es soll so aussehen, als ob Kerri hinter dem ganzen Ärger gesteckt hat.«
»Es soll so aussehen? Haben Sie etwa noch Zweifel?«
»Ja, die habe ich.«
»Glauben Sie wirklich nicht, dass Kerri zu so etwas fähig gewesen wäre?«
»Fähig, Graffiti zu sprayen, Drohanrufe zu tätigen und sich selbst in die Luft zu sprengen? Natürlich nicht. Das ist eine vollkommen lächerliche Idee. Es muss eine andere Erklärung für den Hefter geben.« Schon beim Sprechen fielen ihr zwei Möglichkeiten ein.
»Ich will ja nicht behaupten, dass sie hinter all dem selbst steckt, aber vielleicht hat sie die Personendaten an irgendwelche befreundete Aktivisten weitergegeben. Wir sind immer davon ausgegangen, dass es eines der jüngeren Teammitglieder gewesen sein muss, und Kerri wäre eine naheliegende Kandidatin. Vielleicht war ihr nicht bewusst, was sie tat; vielleicht wollte sie nur helfen. Was wissen wir schon von ihr, außer dass sie intelligent genug war, ein Stipendium zu bekommen und diesen Sommer acht Wochen bei uns gearbeitet hat. Kann sein, dass sie sich nur beworben hat, um Informationen an diese Mistkerle weiterzugeben, die unsere Arbeit immer wieder angreifen. Immerhin war sie Tierschützerin und Vegetarierin.«
»Oh ja, diese Vegetarier sind wirklich gefährliche Leute.«
»Finden Sie etwa, dass ich voreilig urteile?«
»Ich verstehe, dass es schlecht aussieht für Kerri, aber ich glaube nun einmal nicht, dass sie wissentlich etwas getan hätte, das anderen Menschen schadet. Von Tieren ganz zu schweigen.«
»Diesen Eindruck hatten alle von ihr. Trotzdem herrscht hier ein Erklärungsbedarf, meinen Sie nicht?«
Nachdem Blake aufgelegt hatte, überlegte Kate, warum sie ihm nicht erzählt hatte, dass der Hefter bei ihrem Besuch noch nicht dort gelegen hatte. Die einfachste Erklärung für das Vorhandensein dieses Hefters war, dass jemand anderes ihn dort hingelegt hatte. Soweit sie wusste, gab es nur zwei Leute, die dafür infrage kamen, und einer von ihnen war Blake selbst. Zwar konnte sie sich nicht vorstellen, dass er es tatsächlich getan hatte – aber wie gut kannte sie Blake Parker tatsächlich?
Dass die andere Person es getan hatte, war schon wahrscheinlicher. Kate ärgerte sich so sehr darüber, dass jemand Kerri die Angriffe auf das Labor anhängen wollte, dass sie beschloss, sofort loszugehen und die Person zur Rede zu stellen.
Sie telefonierte kurz, studierte eine Straßenkarte, nahm ihre Jacke und verließ das Haus.
Kate fand sich in einer schmalen Straße wieder. Die Reihenhäuser rechts und links schienen fast ausnahmslos in Einzimmerapartments aufgeteilt zu sein. In den hässlichen Vorgärten standen Fahrräder und Mülleimer herum, der Putz blätterte von den Wänden, und in den Ritzen der betonierten Gehwege wuchs Gras.
Vor einem der deprimierendsten Häuser blieb sie stehen und studierte die handgeschriebenen Namensschilder neben den Klingelknöpfen. Sie läutete, wartete ein paar Sekunden und läutete erneut, dieses Mal voller Ungeduld. Schließlich hörte sie Schritte im Haus, und die Tür wurde geöffnet.
»Hi, Conor«, sagte Kate, »darf ich reinkommen?«
»Was
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