Nebel ueber Oxford
Seine Stimme klang unsicher. »Meinst du, ich soll zurückkommen und bei der Organisation helfen?«
»Kerris Mutter und ihre Schwester waren in der "versal">WG und haben ihre Habseligkeiten mitgenommen. Ich denke, sie werden Kerri beerdigen lassen, wie sie es für richtig halten. Immerhin sind sie ihre nächsten Verwandten.«
»Ich sollte dabei sein.«
»Kannst du dir ein Rückflugticket leisten?«
»Nicht wirklich. Eigentlich absolut nicht.«
»Wenn du nächstes Jahr aus China zurückkommst, könntest du für alle Freunde einen Gedenkgottesdienst planen.«
»Das ist eine gute Idee«, sagte er nachdenklich. Nach einer kurzen Pause stieß er dann leidenschaftlich aus: »Aber es ist doch unmöglich, dass der Mörder einfach so ungeschoren davonkommt.«
Kate dachte über seine Worte nach. »Soll ich wirklich zur Polizei gehen und sagen, was ich weiß?«, fragte sie schließlich. Nicht, dass sie sehr viel wusste. Und sie war sich weit weniger sicher als Sam, dass Kerri ermordet worden war.
»Würdest du das tun?«
Kate kam Sams Geburtstagsparty in den Sinn. Ganze Herden von Dolbys warteten nur darauf, Sam Vorschriften zu machen, wie er sein Leben zu leben hatte. Wenn sie ihm zu helfen versprach, stünden die Chancen gut, dass er die kommenden Monate tatsächlich in China bleiben würde.
»In Ordnung, ich sehe, was ich tun kann«, sagte sie und seufzte innerlich bei der Vorstellung, dass sie ihre Recherchen ad acta legen sollte.
»Ich muss Schluss machen. Mein Guthaben dürfte fast verbraucht sein.«
»Aber zuerst gibst du mir bitte deine Telefonnummer.«
Sam gehorchte, fügte aber rasch hinzu: »Du gibst sie aber bitte nicht an Emma weiter.«
»Versprochen!«
»Ich werde meine E-Mails so oft wie möglich abrufen. Und Kate: Danke für alles!«
Als Kate eben auflegen wollte, sagte Sam plötzlich noch: »Du wirst dafür sorgen, dass ihr Tod nach allen Regeln der Kunst gründlich untersucht wird, nicht wahr? Du kannst dich mit Blake in Verbindung setzen. Ich bin sicher, dass er die Angelegenheit ebenso sieht.«
»Klar doch, Sam. Du kannst dich auf mich verlassen.«
Mist! Kate glaubte nicht, dass sie die Polizei davon überzeugen konnte, dass hinter Kerris Tod mehr als ein Unfall steckte. Auch hatte sie keine Lust, noch einmal mit Blake zu sprechen, denn dann müsste sie ihr Wissen über Conor preisgeben, und das wollte sie nicht. Zwar mochte sie Conor nicht besonders, dennoch verspürte sie ein gewisses Mitleid für ihn.
Es machte keinen Sinn mehr, wieder ins Bett zu gehen. Kate brühte Kaffee auf und dachte über das Gespräch nach. Sie würde Blake noch einmal anrufen, aber zunächst musste sie sich mit Sams Mutter in Verbindung setzen. Dazu aber musste sie bis nach neun warten, weil dann die meisten Dolby-Sprösslinge in der Schule waren.
Irgendwann hörte sie oben den Wecker schrillen. Wenige Minuten später erschien Jon in der Küche.
»Was war das für ein Anruf zu einer so unchristlichen Zeit?«, fragte er.
»Sam junior. Er hat meine Mail wegen Kerri gelesen und wollte Einzelheiten wissen. Kein Wunder, dass er unter diesen Umständen nicht an den Zeitunterschied gedacht hat.«
Jon schnitt Brotscheiben ab, steckte sie in den Toaster und schenkte sich einen Becher Kaffee ein.
»Warum siehst du so sorgenvoll und gedankenverloren aus? Hat er dir irgendeinen kniffligen Auftrag gegeben?«
»Er will nicht glauben, dass Kerris Tod ein Unfall war.«
»Er wird einige Zeit brauchen, bis er sich damit abgefunden hat. Das ist nur normal.«
»Er will, dass ich die Polizei davon überzeuge, dass es Mord war.«
»Machst du es?«
»Ich werde auf jeden Fall dort anrufen und herausfinden, in welche Richtung die Ermittlungen gehen – vorausgesetzt, sie tun überhaupt etwas.«
Jon bestrich seinen Toast mit Marmelade, ehe er antwortete. »Das ist eine völlig natürliche Reaktion auf den Tod eines geliebten Menschen. Sam braucht einen Sündenbock. Kate, ich möchte dich bitten, dich nicht in diese Sache einzumischen. Wenn es verdächtige Anhaltspunkte gibt, wird die Polizei sich darum kümmern. Das darfst du mir glauben.«
»Das bestreite ich ja auch gar nicht. Aber wenn ich nicht wenigstens so tue, als ob ich aktiv werde, ist Sam imstande, das nächste Flugzeug in Richtung Heimat zu nehmen. Und dann wird er sich nie aus dem Klammergriff seiner Familie lösen können.«
»Ich finde Emma gar nicht so klammernd.«
»Mag sein, aber du hast auf der Party nicht die Großtanten und Cousins soundsovielten Grades
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