Nebel ueber Oxford
hat Ihnen das erzählt?«
»Angeblich hat dieser Mensch Sie ziemlich runtergeputzt.«
»Wer immer Ihnen das gesteckt hat, sollte seine Nase lieber nicht in die Angelegenheiten anderer Leute stecken. Und außerdem: Was geht Sie das an?«
»Ich bin interessiert, weil ich Kerri gewissermaßen als eine Freundin ansah.«
»Schade, dass Sie nicht hier waren, als ihre Mutter und ihre Schwester ihr Zimmer leergeräumt haben.«
»Haben sie tatsächlich alles mitgenommen?«
»Das meiste. Ich hatte gehofft, den gläsernen Briefbeschwerer als Andenken an Kerri behalten zu dürfen, aber den haben sie bestimmt auch mitgenommen.«
»Als ihre nächsten Angehörigen dürfen sie das.«
»Sie hätten ja wenigstens mal fragen können«, klagte Conor.
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir ihr Zimmer zu zeigen?«, bat Kate. Wenn Mutter und Schwester tatsächlich alles mitgenommen hatten, war es ziemlich unwahrscheinlich, noch etwas von Interesse zu finden. Aber einen Versuch war es immerhin wert. Im Übrigen war Kate gespannt, wie Kerris Zimmer aussah. Sicher würde es ihr etwas über die junge Frau verraten, die Sam Dolby so nah gestanden hatte.
»Eigentlich schon.« Er fasste sie scharf ins Auge, als wolle er einen Streit vom Zaun brechen, doch dann besann er sich anders und wandte sich an Lynne: »Ist es in Ordnung, wenn ich ihr Kerris Zimmer zeige?«
»Meinetwegen. Aber nehmt bitte nichts mit.«
»Das würde ich ohnehin nie tun«, protestierte Conor. »Außerdem ist ja nichts mehr da, was man klauen könnte.«
Lynne runzelte die Augenbrauen.
Conor schien bei Kerris Mitbewohnern nicht sonderlich beliebt zu sein.
»Kommen Sie«, sagte er zu Kate, stand auf und verließ den Raum, ohne darauf zu achten, ob sie ihm folgte.
»Behalten Sie ihn im Auge«, flüsterte Mel ihr im Vorübergehen zu.
Aber Conor hatte recht: Viel war nicht zu sehen. In der hellen Herbstsonne leuchteten die Wände knallblau. Wo Kerris Plakate gehangen hatten, waren noch Poster-Strips zu sehen. In einem kleinen Bücherregal standen einige Lehrbücher, die Kerris Mutter wahrscheinlich als uninteressant erachtet hatte. Über die Matratze war eine alte graue Decke gebreitet, das einzige Kopfkissen war flach und fleckig. Kleider hingen nicht mehr an der Kleiderstange in der Ecke; nur über der Lehne des Bürostuhls lag ein ausgewaschenes T-Shirt. Auf dem Schreibtisch befanden sich ein A4-Block mit nur noch wenigen Blättern, ein Stift, eine alte Stromrechnung und ein Prospekt von einem Geschäft in der Nähe. Kerris Federbett war verschwunden, ebenso wie alles andere, was wirklich persönlich gewesen war.
Kate griff nach dem Stift und begann auf den Block zu kritzeln. Sie wusste nicht, was sie schreiben würde, doch der Stift war ohnehin leer und hinterließ keine Worte. Ihr blieb nichts mehr übrig, als das T-Shirt zu nehmen und daran zu riechen. Es duftete ganz schwach nach Waschmittel. Kate faltete es ordentlich zusammen und legte es auf den Stuhl.
»Ich habe genug gesehen«, sagte sie zu Conor und wandte sich zum Gehen.
»Was?«
Conor hatte mit dem Rücken zu Kate am Schreibtisch gestanden. Jetzt drehte er sich um, sah sie finster an und ging voraus nach unten.
Kate verabschiedete sich bei den anderen und verließ das Haus. Sie fragte sich, ob sie an diesem Tag noch etwas anderes über Kerri erfahren hatte als die Tatsache, dass die junge Frau gut daran getan hatte, sich von ihrer Familie zu trennen.
Kapitel 24
Jon hatte angekündigt, dass es spät werden würde. Als gegen acht das Telefon klingelte, erwartete Kate, dass er ihr mitteilte, dass er jetzt Feierabend mache und in zwanzig Minuten zu Hause wäre. Doch sie täuschte sich. Die Stimme, die sie hörte, war ihr fremd. »Kate? Ich hatte Ihnen doch versprochen, Sie auf dem Laufenden zu halten, wenn etwas geschieht.« Kate überlegte verwirrt.
»Hier ist Blake«, sagte der Anrufer, als sie nicht sofort antwortete.
»Ach so! Aber natürlich! Gibt es denn etwas Neues?«
Sie hatte nach dem Verlassen von Kerris Zimmer eine Weile gebraucht, ehe sie sich wieder auf ihre Arbeit konzentrieren konnte, und war eigentlich noch nicht bereit für eine Unterbrechung. Doch Blakes Ankündigung weckte ihr Interesse.
»Die Polizei hat Kerris Familie gefunden«, sagte er.
»Ich weiß. Ich war heute Morgen in ihrer "versal">WG. Kerris Mitbewohner waren nicht sehr begeistert von ihrer Mutter und Schwester.«
»Ich war am Nachmittag ebenfalls dort, und sie haben mir von ihrem Auftritt erzählt. Wie
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